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 Neues von der Eisenfront

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Avatar  Neues von der Eisenfront  (Gelesen 471 mal)
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(versteckt)Themen Schreiber
#0
12. Juni 2024, um 22:08:27 Uhr

Hier will ich euch mal einen ganz interessanten (und neuen) Ansatz vorstellen, wie Eisen entsalzt werden kann. Grundlage ist aber immer noch die alkalische Sulfitreaktion (Wer mehr dazu wissen will: Sie haben nicht die Berechtigung Links zu sehen.
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https://www.salzwiki.de/index.php/Alkalische_Sulfitreduktion
).
Das stammt aus einer schwedischen Masterarbeit von 2023 zum Thema.

Immer heißt es ja, dass Funde vom Ausgraben an bis nach Ende der Entsalzung feucht gehalten werden müssen. Hintergrund ist, dass sonst Eisen-Chlorid-Salz (Akagenit) auskristallisieren kann. Dieses erzeugt zwischen den Oxidschichten und erhaltenem Metallkern einen derartigen Druck, dass Teile der Oxidschicht förmlich abgesprengt werden. Außerdem können sich sonst wasserunlösliche Eisen-Chlorid-Verbindungen entstehen, die später nur sehr schwer durch Auswaschverfahren entfernt werden können.

In dieser Quelle wird allerdings empfohlen, die Funde bei den Badwechseln trocknen zu lassen, um die Entsalzungsrate zu erhöhen. Das wird anscheinend in dänischen Restaurierungswerkstätten bereits erfolgreich angewandt.

Punkt 1:
Das Natriumhydroxid muss für eine effiziente Entsalzung tief in den Fund eindringen (der pH-Wert im Inneren muss z.B. erhöht werden). Dafür muss ein guter Flüssigkeitsaustausch zwischen der Flüssigkeit und den Poren im inneren gewährleistet werden. Die Theorie ist, dass sich bei einer dauerhaften Wässerung Eisenhydroxid in diesen Poren ansammelt und durch seinen dickflüssigen/gelartigen Charakter eine Barriere bildet, die den Ionenaustausch behindert. Durch das Trocknen soll das Eisenhydroxid oxidieren/trocknen und die Poren wieder freigeben.

Punkt 2:
Nach dem Trocknen sind nahezu alle Kavitäten im Fund, die Chlorionen enthalten und vorher praktisch nicht von der Lösung erreicht werden konnten, trocken. Wird der Fund nun in eine Lösung getaucht, die bereits NaOH und Na2SO3 enthält, wird durch den Kapillareffekt die frische Lösung sehr tief in den Fund gesogen. (Wichtig: Nicht erst mit dest. Wasser auffüllen und danach die Chemikalien hinzugeben). Im Vergleich dazu, wenn der Fund immer nass bleiben würde, kann die frische Lösung nach einem Badwechsel durch Diffusion nur sehr langsam die tiefen Schichten erreichen.


Jetzt zu den Kritikpunkten, die ich oben ja schon angesprochen habe:
Akaganeit ist einer der Hauptgründe für die flockenartigen Abplatzungen an Eisenfunden. Diese Salze bilden beim Auskristallisieren buchstäblich Türmchen und bauen so im Inneren des Fundes Druck auf. Das tun sie genau am Übergang zwischen Eisenkern und Oxidschicht. Sehr schlecht für Funde mit schlecht erhaltenen Eisenkern. Nachdem am Fund etwas abgeplazt ist, kann man sie auch in Form von rostroten Kristallen sehen.
 
Akaganeit entsteht, wenn Chlor mit Eisen reagiert. Dies geschieht durch eine konstante Zufuhr an Wasser- und Sauerstoffionen aus der Luft (Luftfeuchtigkeit). Allerdings wachsen die Kristalle und bilden folglich diesen Druck nur sehr langsam auf. Die Reaktion erfolgt über mehrere Tage, Wochen und Monate hinweg, je nachdem wie gut der Fund gegen Feuchtigkeit geschützt ist. Die Kristalle können in einem kurzen Zeitraum in der der Fund trocken ist, nicht derart groß werden, dass sie dem Fund schaden. Wenn also die Trockung zwischen den Bädern nur über einen sehr kurzen Zeitraum erfolgt, sollte der Fund nicht beschädigt werden.
Ich verwende hierfür einen kleinen Ofen. So kann ich auch garantieren, kein Wasser mehr im Fund zu haben (siehe Punkt 2)

Jetzt zu den wasserunlöslichen Chloridverbindungen:
Ist der Fund einmal getrocknet, verbinden sich manche Chloride mit Eisenhydroxid und bilden nur sehr schwer lösliche Salze. Manche Chloride werden auch im Kristallgitter eingeschlossen und könnten von dort als Korrosionsnester wirken. Allerdings ist jetzt die Frage, ob diese gebundenen Chloride wirklich einen derartigen Einfluss auf den späteren Zerfall des Fundes haben oder ob das hauptsächlich die freien Chloride sind, die noch reagieren und kristallisieren können. Denn die in wasserunlöslichen Salzen gebundenen Chloride müssen logischerweise auch bei der Bildung von Akaganeit eine untergeordnete Rolle spielen, schließlich können sie nicht durch Luftfeuchtigkeit beeinflusst werden. Die freien Chloride hingegen sind weiterhin wasserlöslich und können ausgewaschen werden.

Leider ist sich die Wissenschaft zum letzten Punkt uneins. Die Korrosion von archäologischen Eisen ist sehr komplex und alles andere als allgemeingültig (unterschiedliche Bodengegebenheiten, Metallzusammensetzungen, etc.). Die Mechanismen, wie sich Chlor denn nur wirklich in den Oxidschichten verhält, ist immernoch Gegenstand der Forschung. Von einem logischen Standpunkt aus, denke ich aber, dass es schonmal ein solides Argumentationsfundament bildet.

Ich hoffe, ich konnte euch mit dem Beitrag etwas weiterhelfen. Das ganze Thema ist leider, wie gesagt, extrem komplex und man könnte da stundenlang schreiben. Es gibt dazu schon seit den 70ern unzählige Arbeiten dazu, ohne dass eine wirklich 100%ig zuverlässige Methode entwickelt wurde, die einen Fund im Originalzustand und ein stabiles Korrosionsverhalten verbindet. Eisenrestaurierung beinhaltet nunmal neben Entrostung, Entsalzung und Konservierung (was schon sehr weitläufige Themen sind) auch die Diskussion, wie der Fund nach der Restaurierung denn aussehen soll. Wie der Originalzustand oder so, dass er garantiert nicht weiter zerfällt...

Die Arbeit ist freizugänglich. Link ganz unten


Wichtige Ausschnitte:
S. 25:
Danish desalination tests on objects pre-treated with plasma show that the chloride extraction rate could be significantly enhanced by letting the objects dry between treatment baths (Andersen 2006). This has led some Nordic laboratories to adopt drying as a standard step in their treatment procedures.

S. 90:
Drying the objects between treatments gave exciting results. In ROw (nur dest. Wasser) solutions, drying resulted in an apparent increase in extraction rate for a short period.

Hydroxide ion concentration could play a significant role in this regard. Without further investigation, the reason for this can only be speculated. However, one could look for reasons that motivated Andersen to dry the objects in the first place: the theory that ferrous hydroxide could clog the pores within the corrosion crust.
Several authors have raised concerns about the possibility of ferrous ions turning into gel-like ferrous hydroxide that works as an efficient diffusion barrier inside the corrosion layer (Andersen 2006; Gilberg 1985; Greiff and Bach 2000: 324; Turgoose 1989; Watkinson and Al‐Zahrani 2008: 79). The motivation behind drying is collapsing the iron hydroxide gel formed within the pores through drying and oxidation.

S. 91:
Drying could increase porosity in the corrosion layers (Watkinson and Lewis 2004), increasing the accessibility of anodic sites for the treatment solution.

Quelle: 
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https://gupea.ub.gu.se/bitstream/handle/2077/79396/Thesis%20A%20Pienim%C3%A4ki%20-%202023-22.pdf?sequence=1&isAllowed=y


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