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 Eisenfunde vorgereinigt - was jetzt?

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Avatar  Eisenfunde vorgereinigt - was jetzt?  (Gelesen 619 mal) 0
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(versteckt)Themen Schreiber
#0
30. Mai 2024, um 23:53:09 Uhr

Liebe Restaurierungsgemeinde.

Ich habe einen Gutteil meiner letzten Eisenfunde nun seit ca. fünf Wochen in Behandlung:
in wechselnden Bädern aus destiliertem Wasser, Lauge, (Zitronen)Säure, Fruchtessig,
von Hand behandelt mit Wurzelbürste, Stahlwolle und Zahnbürste.

Die Ergebnisse könnt ihr im Anhang sehen: z.T. schimmern Eisenflächen oder Eisen"stränge"
in Rost und Patina (?) durch, z.T. klaffen große Rostlöcher auf, z.T. sind noch immer Stein/-
Erdmaterial verbacken.

Da ich noch immer sehr unerfahren bin, weiß ich Moment nicht so recht, wie ich weitermachen
soll: die Bauernwehr vllt noch händisch (mit Zahnarztbesteck) von den gröbsten Stein/Erdteilen
befreien, trockenheizen, "einkochen" (Paraffin? oder Leinöln einbrennen?) und es damit gut sein lassen?
Den langen Nagel mit feinem Hämmerchen die Erdhaube abnehmen & ihn dann zusammen mit
dem kleinen Nagel auch "stilllegen" (Behandlung wie oben/Bauernwehr)?
Die Hufeisen-Beschläge so belassen (also mit Patina), oder komplett bis aufs Eisen freilegen
(mit Zitronensäure oder Essig)?
Den Achsnagel mit dem Dremel freilegen - oder ihn länger Zitronensäure oder Essig überlassen?
Und die Hufraspel einfach so lassen, und final konservieren (aber : mit was ?)

Wie entscheidet ihr so etwas? Ich fürchte, dass ich z.B. die Bauernwehr sonst zwar sauber habe,
vom eigentlichen Stück dann aber wenig Substanz erhalten bleibt ...
Könnt ihr mir da ein paar Tipps geben (ein DO oder v.a. DONOT // AUF KEINEN FALL würde auch helfen Smiley )

Auf Rückmeldungen freut sich
der Frank aus Franken


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Achsnagel-Detail.jpg
Achsnagel-Gesamt.jpg
Bauernwehr-Durchbruch-Griff.jpg
Bauernwehr-Gesamt.jpg
Bauernwehr-Griff.jpg
Bauernwehr-Handknauf.jpg
Bauernwehr-Rostfarben.jpg
Bauernwehr-Rostflächen.jpg
Bauernwehr-Schneide links.jpg
Bauernwehr-Schneide rechts.jpg
Bauernwehr-Spitze.jpg
Huf-Sperreisen.jpg
Nagel1.jpg
Nagel2.jpg

« Letzte Änderung: 30. Mai 2024, um 23:55:58 Uhr von (versteckt) »

Als beste Antwort ausgewählt von Frank van Dice 31. Mai 2024, um 00:21:50 Uhr
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(versteckt)
#1
31. Mai 2024, um 07:38:51 Uhr

Hallo Frank,

Bei Eisen lass ich grundsätzlich die Finger von Säuren. Da hat man zu wenig Kontrolle und die Patina wird zwangsläufig beschädigt.
PS: Ist in deinem Fall ja nicht passiert, aber ich lese immer wieder, dass zum entrosten Salzsäure verwendet wird. Das ist eigentlich das schlimmste, was man machen kann. So bringt man nämlich zusätzliche Chloride ins Material ein, welche man ja eigentlich loswerden möchte.

Je nach Substanz, also wie viel Eisen bereits in Eisenoxide umgewandelt wurde, benutze ich eine Elektrolyse oder mechanische Verfahren. Bei eher minderwertigen Funden mit guter Substanz oder höherwertigen Funden mit sehr guter Substanz verwende ich gern die Lyse. Dann aber bei niedriger Stromstärke (100-400mAh) und immer wieder Zwischenkontrollen. Danach muss ich eigentlich fast immer noch mechanisch nachbearbeiten.

Bei Funden mit schlechter Substanz oder eben nach der Lyse kommt der Dremel zum Einsatz. Hierfür habe ich verschiedene Korundaufsätze und Diamantschleifer. Hier ist zu beachten, dass die Oberfläche nicht komplett blank geschliffen wird, sondern nur der oberflächliche Rost abgetragen wird. 

Hierfür ist wichtig zu wissen, wie die Korrosionsschicht bei archäologischem Eisen aufgebaut ist. Generell findet die Korrosion ab der Originaloberfläche in zwei Richtungen statt. Nach außen, allgemein als Aufblühungen erkennbar, bilden sich va. Eisen(III)Oxide, also das, was gemeinhin als Rost bezeichnet wird. Aber eben auch nach innen, nämlich ua. Magnetit, Hämatit, Geothit, Wüstit etc. In Summe bedeutet das, dass sich die jetzige Metalloberfläche unterhalb der Originaloberfläche befindet. Würde man nun komplett auf das blanke Metall schleifen, würde der Fund uU. komplett vom Originalzustand abweichen.

Man muss beim Restaurieren also darauf achten, wieder auf die originale Oberfläche zurückzukommen. Das bedeutet, dass eigentlich nur die aufgeblühte Schicht abgetragen werden darf, allerdings nicht die untere Oxidschicht, die sich bereits unterhalb der Originaloberfläche befindet. 
Beim mechanischen Entrosten ist es deutlich leichter, das zu befolgen, auch wenn es oftmals schwer ist, die Originaloberfläche zu erkennen. Zusätzlich können sich nahe an der Metallschicht Chloridnester gebildet haben oder Blasen, die bis zum Metallkern reichen. Die müssen dann aufgeschliffen werden.

Ist die Entrostung abgeschlossen, ist va bei relativ stark umgesetzten Funden (also dicke Oxidschicht) eine Entsalzung wichtig. Würde die nicht erfolgen, können zwischen Oxidschicht und Metallkern Eisen-Chlorid-Salze auskristallisieren (Akaganeit), die einen derart hohen Druck erzeugen, dass die Oxidschicht förmlich weggedrückt wird. Dann brechen ganze Stücke aus der Oxidschicht raus. Das kann durch ein reines Einkochen in Wachs, egal welches, nicht verhindert werden! Irgendwann dringt immer Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff ein. Deshalb muss der Salzanteil so stark wie möglich reduziert werden.

Die Entsalzung erfolgt in dest. Wasser und NaOH, also Ätznatron. Noch besser, wenn man zusätzlich Na2SO3 dazugibt. Dann aber in geschlossenem Behälter ohne Sauerstoffzufuhr. Das Na2SO3 bindet nämlich den Sauerstoff im Wasser, wodurch die Korrosion des Eisens im Bad reduziert wird und die Entsalzung effektiver erfolgt. Würde die Lösung mit Luft in Berührung kommen, würde ständig Sauersoff diffundieren und die Lösung kann nicht sauerstofffrei werden. Das ganze muss mit zweiwöchentlichen Badwechseln ein paar Monate stehen. Hier wird alles näher beschrieben:
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Registrieren oder Einlogen
Alkalische Sulfitreduktion – Salzwiki

Danach mit Mikrokristallinem Wachs (z.B. Cosmoloid H80) einkochen.

Ich weiß das ganze ist sehr kompliziert und erfordert einiges an Recherche. Erschwert kommt dazu, dass es auch in der Wissenschaft keinen eindeutigen Konsens gibt, wie die Eisenentsalzung schlussendlich erfolgen muss. Gerade, was die exakten Korrosionsmechanismen betrifft, wird immer noch geforscht. 
Das oben ist jedenfalls mein aktuelles Vorgehen. Ich hoffe, das hilft dir etwas Grinsend

Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#2
31. Mai 2024, um 08:23:54 Uhr

Mein gutster Pfennig.
Allerherzlichsten Dank für diese umfassenden Einblicke:
jetzt habe ich das endlich auch mal verstehen können,
wie und warum Eisen nach außen UND nach innen rosten kann,
und was es mit diesen Rostblasen auf sich hat. Und ich weiß,
dass ich mir auf kurz oder lang eine Elektrolyse werde bauen
müssen (bzw. bauen lassen / per Sohn Smiley ).
Herzlichen Dank nochmal,
Frank

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(versteckt)
#3
31. Mai 2024, um 08:52:28 Uhr

Gerne Frank,

Wichtig bei der Elektrolyse ist noch zu erwähnen, dass die bei Funden ohne gut erhaltenen Metallkern sehr viel Schaden anrichten kann.

Auf physikalischer Ebene passiert nämlich folgendes: 
Allgemein wird bei der Elektrolyse Wasser gespalten. An der Anode (Opferblech) entsteht Sauerstoff, an der Kathode (Fund) Wasserstoff. Das Wasser wird immer direkt dort gespalten, wo es mit dem Metall in Berührung kommt. Da die Eisenoxidschichten sehr porös sind, dringt das Wasser bis zum Metallkern vor. Und eben dort entsteht dann beim Fund der Wasserstoff. Dieser liegt im gasförmigen Zustand vor. Durch den Druck wird jetzt mehr oder weniger alles abgesprengt, was am Metallkern haftet. Das betrifft nicht nur den Rost, den wird entfernen wollen, sondern auch die erhaltenswerten Oxidschichten. 

Deswegen verwende ich die Elektrolyse nur bei Funden mit sehr guter Substanz, da hier die erhaltenswerten Oxidschichten sowieso nur sehr dünn sind. Um ein Gefühl zu bekommen, wie viel vom Metallkern denn noch vorhanden ist, verwende ich ganz gern einen Magneten. Den Konservierungswerkstätten stehen da natürlich Röntgengeräte zur Verfügung. 
Taste dich einfach mal ans Thema ran. Ich empfehle da erstmal Versuche mit Nägeln etc. Man bekommt da ein Gefühl dafür.
Noch als Tipp: Oft wird ja in Videos empfohlen ein altes (Batterie-)Ladegerät zu verwenden. Ich hab mir auf Amazon allerdings ein recht billiges (~60 Euro) Labornetzteil gekauft. Das hat einen Kurzschlussschutz und man kann die Stromstärke ganz nach Belieben einstellen. Batterieladegerät haben ja teilweise fixe 5A oder noch mehr, was einfach zu viel ist.
Außerdem würde ich als Opferanode keinen Edelstahl verwenden. Der setzt nämlich krebserregende Chrom(VI)-Verbindungen frei. Ich nehme ein Hufeisen oder sonstigen Eisenschrott.

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(versteckt)
#4
31. Mai 2024, um 10:30:04 Uhr

Destilliertes Wasser, Stahlbürste und Stahlwolle und Dremel würde ich vor der Lyse benutzen. Den Rest nicht.
Ich drück dir bei der Bauernwehr die Daumen.

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#5
31. Mai 2024, um 11:09:57 Uhr

Und Schleifpapier. Gerade bei so flachen Objekten wie der Bauernwehr ist Schleifpapier ideal, um sie von Korrosion zu befreien. Ruhig mit sehr grobkörnigem Schleifpapier anfangen und dann immer feineres nehmen. Nicht zu viel abschleifen. Man sollte kein blankes Metall sehen, sondern eine dunkelgraue Magnetitschicht.

Die Stollen und der Achsnagel hingegen sind jetzt in einem idealen Zustand für eine Elektrolyse, da sie blanke Stellen haben, an denen man die Kathode anbringen kann.

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#6
31. Mai 2024, um 13:39:46 Uhr

Geschrieben von Zitat von MichaelP
Destilliertes Wasser, Stahlbürste und Stahlwolle und Dremel würde ich vor der Lyse benutzen. Den Rest nicht.
Ich drück dir bei der Bauernwehr die Daumen.


Exakt, genauso habe ich das bisher auch immer gemacht. Fraglich ist auch ob noch genügend Eisensubstanz bei der Bauernwehr vorhanden ist, da kannst du mit der Lyse mehr Schaden anrichten.
Aber just my two cent.


Michel  Winken

« Letzte Änderung: 31. Mai 2024, um 13:51:35 Uhr von (versteckt) »

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(versteckt)
#7
02. Juni 2024, um 15:49:29 Uhr

Die Bauernwehr ist leider nicht mehr so gut beieinander. Ich würde die vorsichtig lysen, so dass der grobe Rost weg ist und dann mal in destilliertem Wasser mit 2,3 Löffeln Natriumhydroxid ein paar Monate legen. Wasserwechsel so jede dritte Woche. In der Zeit wird noch Rost abfallen. Und zwischendurch mit einer Bürste mit Eisenborsten (wichtig, nicht Kupfer- oder Messingborsten) abbürsten. Dann trocknen lassen, den Rest mechanisch mit dem Drehmel (auch mit Eisenbürste) abschleifen. Aber nicht bis zum blanken Metall, die schwarze Magnetitschicht soll ja erhalten bleiben. Dann in den Ofen für 45 Minuten, und wenn wieder kalt dann wieder mit dem Drehmel drauf. Dann in Paraffin einkochen. Ist ein bißchen tricky das Objekt, weil nicht mehr so gut von der Substanz her erhalten. Ich würde ehrlich gesagt erstmal die Finger davon lassen und mich an anderen Objekten versuchen, Hufeisen und ähnliches. Gerade am Anfang kann man ob fehlender Erfahrung viel kaputt machen.

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