[x] Bitte registrieren Sie sich um alle Funktionen des Forums nutzen zu können. Als Gast können Sie z.B. keine Bilder betrachten.

Registrieren          Schliessen
Achtung!
 >  Geschichte > Geschichte des Altertums > Kelten (Moderatoren: maxxblade, zenzi1) > Thema:

 lexikon der christlichen heiligen mit keltischem ursprung

Gehe zu:  
Avatar  lexikon der christlichen heiligen mit keltischem ursprung  (Gelesen 21831 mal) 0
A A A A
*
0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.
Seiten:  Prev 1 2 3 4 5   Nach unten
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#45
17. August 2009, um 08:59:21 Uhr

Oswald kam mit Hilfe iro-schottischer Missionare und zu deren Unterstützung bis in den Ostalpenraum, wo er offensichtlich bald großen Anklang fand und vor allem in die mythologischen Fußstapfen von Lug und Taranis treten sollte. Der historische Oswald war einst Sohn und Nachfolger des angelsächsischen Königs Aethelfriths von Northumbria gewesen, den er nach einem Exil in Schottland um 634 beerbt hatte. Prinz Oswald stand seit frühester Jugend unter dem Einfluss der Kleriker der Abtei von Iona, die auf den schottischen Hebriden von Columban dem Älteren gegründeten worden war, und von der aus die keltischen Länder des europäischen Festlandes auf einer Art „keltischem Weg” mehr oder weniger erfolgreich „missioniert” wurden.

Neben dem historischen Oswald, welcher wegen seiner Förderung der (damals noch nicht von Rom abhängigen) christlichen Kirche Northumbriens - u.a. unterstützte er die Gründung der Abtei Lindisfarne - zum Heiligen avancierte, etablierte die Legende einige Abarten der Figur Oswalds. Diese beschreiben zwar eher diverse keltische Heroen als einen angelsächsischen König, doch schien das zur Untermauerung seiner himmlischen Mission durchaus angemessen. Als Heiliger wurde Oswald immerhin Schutzpatron der englischen Könige, des Wetters, des Viehs, der „Schnitter”, die die Korn-Ernte einbrachten, und der Kreuzfahrer. Zur Befriedigung der „keltischen Volksseele” in den, auch mit seiner Hilfe, „missionierten” Ländern, und zur „Begründung” dieser umfassenden Kompetenzen (und seiner urkeltischen Symbole), wurden ihm zum Teil wilde Geschichten zugeschrieben.

So soll zu Oswalds Lebzeiten ein Heidenkönig Aron gelebt haben, dessen schöne Tochter Paimg unser Christenkönig gerne geheiratet hätte. Da Aron aber seine Tochter selbst begehrte, ließ er allen Freiern den Kopf abschlagen! Der kluge Oswald gab daher seine Bewerbung lieber nicht persönlich ab, sondern schickte als Liebesbote einen Raben. Nun wäre es dem Raben, der prompt abgefangen wurde, schlecht ergangen, hätte ihn nicht die begehrte Tochter aus Vaters Fängen befreit, und ihn mit einem Verlobungsring und dem Auftrag zurückgeschickt, Oswald solle sie mit einem großen Heer holen und dazu einen Hirsch und den Raben mitführen.

Zigtausendfacher „Herr über Leben und Tod”  ^

König Oswald fiel darauf wie gewünscht mit Heer und Hirsch in Arons Reich ein und hinterließ dabei 30.000 tote Helden auf dem Schlachtfeld. Als der Christen-König sie aber kurzerhand alle (!) wieder zu neuem Leben erweckt, ist Aron überzeugt und gibt dem Eindringling seine Tochter Paimg zur Frau. An Oswalds Hof erscheint dann noch Christus selbst in Pilgerverkleidung, doch diesen Teil schenken wir uns ebenso wie Ausflüge in die „echte” Lebensgeschichte König Oswalds von Northumbria, um zum für uns Ostälpler interessanten keltischen Kern zu kommen.

Oswald verkörpert in seinen Legenden relativ deutlich einen keltischen Heros und Herrn über Leben und Tod. Dazu passt insbesondere der (sonst unmotivierte) Hirsch, das Symboltier des Cernunnos, des Herrn der Tiere und der keltischen Anderswelt, wo die Seelen der verstorbenen Kelten auf ihre Wiedergeburt warten. Der Rabe ist ein uralter „Götter-Bote” und in der Oswald-Legende Symbol des Licht- und Fruchtbarkeitsheros Lug und des Tod- und Wiedergeburts-Aspektes der keltischen Frauen-Trinität, auch Borbeth geheißen.

Oswalds Festtag, der 5. August, liegt nahe Lugnasad (1. Aug.) und deckt sich mit dem Festtag für Afra und für Maria Schnee, einer Variante der „Frau Holle”, als die Große Muttergöttin noch selbst das Wetter braute, bevor sie damit Atmosphäre-Heroen wie Taranis und Co. beschäftigte. Mit dem zugewiesenen Bündel an Eigenschaften und Bedeutungen (Wetter-, Ernte-, Viehpatron) eroberte Oswald jedenfalls im Dienste des Christentums über die Jahrhunderte die ostalpinen Kultplätze seiner hiesigen „keltischen” Vorfahren.

   Keltisch ging es zuletzt auch mit Oswalds Kopf zu. Der soll - nach dem Heldentod des Besitzers an der walisischen Grenze im Kampf gegen den heidnischen König von Mercien im Jahr 642 - zuerst stilvoll in die Abtei Lindisfarne gekommen sein. Doch wie die Brüder seiner Klöster wanderte bald auch Oswalds Haupt - oder Teile davon, oder das, was im Dienste des Glaubens dafür ausgegeben wurde. So soll der Kopf Oswalds z.B. später von den Angelsachsen zu den Niedersachsen gewandert sein und heute als Trophäe im Dom zu Hildesheim verwahrt werden! Ein Privileg, das allerdings u.a. auch Echternach und Paderborn für sich beanspruchen!

 
qwelle diekelten.at

mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

oswald-prazoell-bozen_270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#46
17. August 2009, um 09:02:10 Uhr

Zwar hatte schon Kaiser Konstantin vorgezeigt, wie sich das Christentum bzw. seine Organisation einerseits als politisches Instrument einsetzen ließ, und wie andererseits ein neuer Heiligenkult als Ersatz für alte „Götzenanbetung” dienen kann. Doch erst zur Zeit der fränkischen Merowinger kam es dazu, dass diese – zumeist erfundenen – Ersatzgötzen nicht mehr „Allgemeingut” waren, sondern zu allererst ZeugInnen für die besondere „Heiligkeit” feudaler Adelsfamilien. An Stelle der alten Märtyrer traten neue Familienheilige auf, mit denen „die Edlen” nun ihre Stammbäume schmückten, um sich selbst bis in den Himmel vom gewöhnlich geknechteten Volk zu erhöhen und als (schein-) heilig zu entrücken!

So einer Ausgeburt der neuen Götzenverehrung mittels scheinheiliger Feudalherren-Erhöhung ist z.B. Ottilia/Odilia, welche die merowingische Familie des burgundisch-elsässischen Dux Eticho im frühen Mittelalter skrupellos einsetzte, um sie einen Heiligen Berg der Kelten und dessen uralten Kultplatz zur Ehre ihrer Familie okkupieren zu lassen - und im selben Aufwasch auch noch die Stelle einer ehemaligen „heidnischen” Göttin einzunehmen.

Die obligate Heiligen-Geschichte war mit den einschlägigen Versatzstücken für Ottilia schnell zusammengereimt und lautet so:

Im 7. nachristlichen Jahrhundert lebte in Obernai im heutigen Elsass ein mero-wingischer Herzog Athich/Eticho, der sich einen Sohn als Stammhalter wünscht. Seine Frau Berswinda gebiert aber eine Tochter - und die ist blind. Des Rabenvaters Wunsch, sie zu töten, wird von Muttern verhindert, indem sie den Säugling in ein burgundisches Kloster steckt. Dort wird eine fromme Katholikin aus dem Kind, zu dessen Taufe justament der nicht gerade „um´s Eck” amtierende Bischof aus dem bajuwarischen Regensburg anreist. Es ist der legendäre Erhard, der solche Wundertaten brauchen kann, um selbst zum Heiligen zu werden.

Erhards Tauferei führt prompt dazu, dass Klein-Ottilie endlich sehend wird. Ihr Bruder – also hat der alte Griesgram Athich, auf welche Weise immer, doch noch einen Stammhalter erlangt! – holt Schwesterchen nach Hause zurück. Wofür ihn Vater trotz aller Stammlerei prompt erschlägt. Doch die fromme Ottilia zeigt bereits erste Heiligkeit und erweckt den toten Bruder zu neuem Leben. Worauf sich der böse Vater wutentbrannt ihr zu wendet. Sie flieht jedoch und findet in eines Berges Schoß Zuflucht, während der Dux von herabfallenden Steinen fast erschlagen wird.

Vom Heiligen Berg der Kelten zum dreisten Raubgut des Herzogs  ^

Nun tritt der Legende nach endlich Athichs Wandlung ein - auch wenn er später im Fegefeuer schmoren muss, aus dem ihn aber Ottilia prompt errettet! (Siehe Bild oben) Der geläuterte Herzog, den die Historiker mit Eticho ansprechen, okkupiert dafür altes heiliges Gut und lässt der wundersam heilbringenden Tochter auf dem nahen Hohenberg - dessen alter Name seine Heiligkeit verrät (Hohe war der „heidnische” Sammelbegriff für Heilige, Göttliche) - schließlich ein Kloster bauen, dessen Äbtissin natürlich nur Ottilia werden kann, nach der später auch der Heilige Berg (von den Kelten einst mit einer Mauer befestigt) den heutigen Namen Odilienberg (Mont-Sainte-Odile) erhielt.


Kloster Odilienberg/Mont-Sainte-Odile bei Obernai

Doch damit nicht genug. Die offensichtlich schon länger halbheilige Äbtissin und neue Bergherrin gründet am Fuße des nun ihr „gehörenden” seit dem Neolithikum heiligsten Berges des Elsass über einem zugehörigen keltischen Quellheiligtum gleich noch ein zweites Kloster: „Niedermünster mit Spital und heilkräftiger Quelle, dessen Platz ihr der hl. Johannes d. T. in einer Vision gezeigt hatte.” Und die adelige Mademoiselle ist schon zu Lebzeiten so heilig, dass sie auch ihren jungfräulichen Nonnen stilgerecht beibringt, wie man Leben spendet, indem frau Tote zu neuem Leben erweckt. Eine gute Investition in Heiligen-Power, die schließlich auch ihrem eigenen Abgang den letzten Schliff geben sollte.

Die frommen Schwestern finden dazu als Ausgangslage im letzten Akt des legendären Ottilien-Lebens ihre Äbtissin bereits tot im Bett – oder war die Heilige nur scheintot, oder die Tote nur scheinheilig? Jedenfalls ist an dieser Stelle besondere Heilkraft gefragt! Und siehe da: Der eifrigen Nonnen inbrünstiges Gebet ruft prompt ihre Äbtissin wieder ins Leben zurück, zu ihrem krönenden letzten Auftritt! O-Ton Ottilia: „Warum beunruhigt ihr Euch? Lucia [die Licht-Heilige] war bei mir und ich sah und hörte, was man mit Augen nicht sehen, mit Ohren nicht hören ... kann” Dann ergreift sie selbst den Kelch, hebt ihn, nimmt die Kommunion und stirbt (Reclams Lexikon der Heiligen) - um prompt an deren Stelle auf Luciens Platz zu landen!

Oben und unten, hinten und vorne: Alles geklaut!  ^

Auf gut Wienerisch war es damit „A schene Leich”! Doch leider ist bei dieser Geschichte alles geklaut: vom Heiligen Berg der Kelten, deren über 10 km lange „Heiden-Mauer” seit dreitausend Jahren den Gipfelbereich umzieht, über die diversen okkupierten Heiligen Quellen der Inspiration, die wie üblich zu Augenbründl banalisiert wurden, bis hin zum letzten Ritual, das so ähnlich dort schon von den keltischen DruidInnen inszeniert worden sein dürfte. Schließlich wird sogar noch die weit ältere Lucia schamlos geplündert, bis hin zum makabren Attribut der präsentierten Augäpfel. Und als letzte dreiste Draufgab sitzt die merowingische „Familienheilige” zuletzt sogar auf dem alten Festtag der „getauften” Lichtgöttin Lucia, dem 13. Dezember, der vor der Gregorianischen Kalenderreform ganz und gar nicht zufällig mit der Wintersonnenwende identisch war!

qwelle diekelten

mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

ottilia-laufen_270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#47
31. August 2009, um 12:04:21 Uhr

Wie könnte es anders sein: Auch der Hl. Pankratius hat letztendlich keine his-torischen – im Zusammenhang mit seiner Einführung im Ostalpenraum wohl aber „keltische” – Wurzeln! Er gehörte ursprünglich zu den unzähligen Propa-gandaheiligen, mit denen die römisch-katholische Staatsreligion einerseits das vorchristliche Römische Kaiserreich verunglimpfte und anderseits zigtausende „Blut-Zeugen” für die eigene Überlegenheit aus dem Märtyrerhut zauberte, in dem sie sich in der Spätantike tatsächlich „wie die Karnickel” vermehrten. Was ja auch deshalb kein Wunder war, als jeder neue christliche Altar auf den Resten (Reliquien) eines solchen „Heiligen” begründet sein musste, und deshalb die Produktion fiktiver Heiliger und der Verkauf von deren angeblichen Reliquien (die massenhaft mit Tierknochen „gepanscht” oder „gestreckt” wurden) zu einer hoch profitablen Industrie geriet.

Nach dem bewährten – sattsam abgedroschenen – Muster des überwiegenden Teils der katholischen Heiligenlegenden, war natürlich auch Pankratius ein Opfer der Christenverfolgerei unter dem bösen Kaiser Diokletian, dem Lieblingsfeind katholischer Heiligenerfinder. Doch der Reihe nach: Zuerst soll um 290 einem reichen Römer in Phrygien in Kleinasien ein Sohn geboren worden sein, der auf den griechischen Namen Pankratios (Alleskönner, Allesbeherrscher) getauft wurde. Früh verwaist zog der Knabe mit seinem Onkel Dionys(!) im Jahre 303 nach Rom, um dort sein ererbtes Vermögen unter armen Christen zu verteilen. Das missfiel dem bösen Kaiser Diokletian, der im Jahr 304 den jugendlichen Wohltäter fassen ließ.

Und weil Pankratius von seinem Glauben nicht lassen wollte, ließ ihn der Kaiser schließlich enthaupten und seine Überreste den Hunden zum Fraß vorwerfen. Hernach kam eine obligate fromme Witwe, sammelte die abgenagten Knochen ein und bestattete sie in den Katakomben an der Via Aurelia in Rom. Dort ließ dann im Jahr 500 „Papst” Symmachus – selbst ein „Heiliger”, ein skrupelloser Bestechungs-Künstler und großer Urkundenfälscher vor dem Herrn – die Kirche San Pancrazio fuori le mura („außerhalb der Stadtmauer”) errichten.

Auf diesem Fundament stand der europaweiten Verbreitung der christlichen Pan-kratz-Verehrung nichts mehr im Weg. Was natürlich weit weniger an der frommen Biographie lag, als an der Programmatik des Namens („Allmächtiger”), die sich ganz und gar nicht zufällig mit den Qualifikationen eines großen Kelten-Heros deckte: Lug(h)!

Lug „Samildánach”, der Kelten-Heros hinter dem Hl. Pankraz  ^

Lug, der Leuchtende, der Helle, war nicht nur Lichtheros, Wettermacher, Erd-befruchter und Heiler, er war allwissender, omnipotenter Meister aller Künste („Samildánach”), zu dessen „Überwindung” die katholische Mission insbesondere ihre Heldenfiguren Georg, Michael und Pankratz einzusetzen suchte. So sind die ehemals keltischen Ostalpen bis heute übersät mit derart „kontaminierten” Kult- und Wallfahrtsorten. Was Pankra(t)z betrifft, finden wir ihn (analog zu den Kollegen Georg und Michael) auf Bergeshöhen oder ähnlich markanten, erhöhten Punkten und Geländespornen, die für den ursprünglichen Lichtkult besonders geeignet gewesen sind.

Ein Musterbeispiel für einen solchen ist der so genannte Pankrazen- oder Pankrazberg bei Fügen im Zillertal. Die Hauptattraktion der dortigen Wallfahrtskirche St. Pankraz war über die Jahrhunderte ein wundertätiges „Haupt des Hl. Pankraz” (heute in einem Schrein am Hochaltar) eine wundertätige Kopf-Reliquie, die einerseits den Ort als „kleinere Ausgabe” des keltischen Lichtkultplatzes Hohe Salve ausweist. Andererseits konnte der leichter erreichbare Pankraz-Kopf gegen Entgelt nicht nur gemäß dem Lauf der Sonne um den Kultort getragen, sondern auch als Instrument des Exorzismus verwendet werden. Womit sich die „abergläubische” Verwendung vom alten Licht-Kult bis zur praktischen Vertreibung von lästigen Mäusen erstreckte! Die Einnahmen aus dem vielfältigen Gebrauch des Schädels des heiligen Allrounders waren in Fügen im Zillertal jedenfalls beträchtlich.

Noch weit näher an keltischen Glaubensvorstellungen war der Inhalt der Wallfahrt zu St. Pankratz bei St. Aegidi im Hausruckviertel in Oberösterreich. Hier, unweit des Zisterzienserstiftes Engelszell an der Donau war das Wallfahrtsziel nicht einfach eine Heilige Quelle, die schon den Kelten als Mittelpunkt eines Licht- und Fruchtbarkeitskultes gegolten hatte. An dieser Stelle spielten noch immer, bis fast zweitausend Jahre nach „Christi Geburt”, justament Tiere, konkret Pferde – einst orakelkundige „Mitwisserinnen der Göttin” – die kultische Hauptrolle im rituellen Wallfahrtsgeschehen.

Die Tiere dreimal um den Kultplatz zu führen, wäre allein zwar auch nicht „christlich” gewesen, doch dieser Teil des rituellen „keltischen Erbgutes” wurde und wird noch an unzähligen anderen Plätzen im Bereich der Ostalpen zelebriert. (Insbesondere an Georg- und Leonhard-Wallfahrtsstätten!) Was den Kultplatz über der Donau besonders auszeichnete, war die Tatsache, dass die Wallfahrer hier nicht für sich selbst Heil suchten, sondern eben für die mitgeführten (manchmal bis zu dreitausend!) Pferde, die durch rituelles Auswaschen ihrer Augen in den Genuss der alten „Quelle der Inspiration” kamen. - Kein Wunder, dass die Kirche im Jahre 1781 auf kaiserlichen Befehl gesperrt und in den folgenden Jahren demoliert wurde.

Exponierte Lage und möglichst eine angeschlossene Heilige Quelle, das zeichnet auch die anderen heute mit Pankraz verbundenen alten Kultplätze aus. (Darunter St. Pankraz bei Nußdorf nahe Salzburg, die ehemalige Panrazikapelle in Wurmbrand bei Zwettl, Pongratzen bei Hartberg, St. Pankraz bei Oberwölz, St. Pongratzen am Radlberg an der Grenze zu Slowenien usw.) Wobei mit der Zeit das ursprüngliche Licht- und Orakelsymbol Pferd aus dem Alleskönner Pankraz, der im Dienste der katholischen Kirche seinen keltischen Vorläufer Lug zu überstrahlen hatte, auch noch einen beliebten Ritter-Patron machte, der sich – ähnlich seinem Pendant Georg – vorzüglich als den Sieg beschwörender Patron von Burgkapellen eignete.
 Auch derart kraft- und eindrucksvolle Spuren des nachkeltischen Alleskönners sind im Ostalpenraum vielerorts zu finden – bis hin schließlich zu den speziellen Spursteinen von St. Pankrazen nahe dem Zisterzienserstift Rein bei Graz, die von einer Rast des Heiligen derart „beeindruckt” worden sein sollen, dass sich an einem Stein das heilige Gesäß des Pankraz verewigen konnte, am anderen fünf Finger seiner heiligen Hand. Überhaupt scheinen die Zisterzienser nicht unschuldig gewesen zu sein an einem Teil der Verbreitung des Pankraz-Kultes als Antwort auf den bis dahin hierzulande offensichtlich noch immer lebendigen Lug.

Was nicht zuletzt die Spuren im christlichen Kalender betrifft, hängt der Termin (12. Mai) einerseits mit der Zeugungskraft eines omnipotenten Fruchtbarkeits-Heros und Erd-Befruchters zusammen (vgl. Georg, Florian usw.). Damit sind wir andererseits endlich auch beim himmlischen Wettermacher und „Eisheiligen”, der Blitz und Regen - oder gar Eis und Schnee - schickt, um die empfangsbereite Mutter Erde zu befruchten, zu „begatten” - wie einst sein mythologischer Vorgänger Lug, der in der inselkeltischen Variante zuständig war für die Befruchtung der prähistorischen Erd-Muttergöttin Tailtiu (die Wohlgeformte).




qwelle diekelten.at

mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

hl_pank.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#48
31. August 2009, um 19:32:33 Uhr

Mit dem Namen Pantaleon („Ganz Löwe”) wurde einst jener legendäre Mann versehen, der an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert wie die Hl. Barbara in Nikomedia, dem heute türkischen Izmit, am Marmara-Meer gelebt haben soll, und dort zum „Groß-Märtyrer” heranwuchs, wo Diokletian im Jahr 284 zum Kaiser ausgerufen worden war und sich später eine prächtige Residenz bauen ließ. Pantaleon wurde zwar von der Mutter ins Christentum eingewiesen, doch als sie früh verstarb, ließ Vatern dem armen Jungen klassische Bildung angedeihen.

Zuerst kam, entsprechend den sieben Stufen des damaligen regulären Studiums, Klein-Pantaleon zur Unterweisung in eine so genannte Grammatikschule, wo er bald „den Kurs der ganzen äußerlichen heidnischen Wahrheitsliebe(sic!) durchlaufen hatte”. Da fasste der ehrgeizige Vater den Entschluss, seinen Sohn zum Mediziner ausbilden zu lassen, und gab ihn „zu dem berühmten Arzt Euphrosin in die medizinische Schule”, wo er bald seinen Lehrern „fast ebenbürtig” wurde.

Der junge Pantaleon war derart klug, redegewandt und schön, dass das sogar Diokletians Mitkaiser Maximianus auffiel, der zu dieser Zeit in Nikomedia gelebt haben soll. Ja es winkte eine tolle Karriere, als Maximian dem berühmten Euphrosin befahl, seinen Schüler noch schneller und besser „in aller ärztlichen Kunst zu unterweisen”, um ihn zum neuen kaiserlichen Leibarzt geeignet zu machen. Das ließ aber umgekehrt dem alten Oberpriester der Christengemeinde von Nikomedia, Ermolas, keine Ruhe, an dessen Haus Pantaleon täglich vorbei ging. So passte der Alte eines Tages den Jüngling ab, in dem er schon länger ein „auserwähltes Gefäß” seines eigenen Gottes gesehen hatte. Der schlaue Fuchs bat den Vorübereilenden, doch „nur eine ganz kleine Weile zu ihm ins Haus zu kommen”. Was „der bescheidene und gehorsame Jüngling” tatsächlich nicht ausschlug.

Wissenschaft ist „heidnischer Betrug für Geistesschwache”  ^

Nun war es um den braven angehenden Arzt geschehen. Der Alte wickelte den Jungen im Nu gehörig ein, und verkündete ihm am Schluss der Gehirnwäsche als vernichtende „Wahrheit”, dass alles bislang erworbene Wissen nur Betrug sei: „Die Lehre und die Kunst des Asklep(ios) [griech. Heiler-Gott], des Hypokrates [griech. Arzt, 460-370] und des Galen(us) [röm. Arzt, 129-199] sind nichtig ... auch die Götter, die der Kaiser Maximian, dein Vater und die übrigen Heiden verehren, sind nichtig und nichts anderes als Fabel und Betrug für Geistesschwache.” [Auch wenn Darwin noch Zukunft war: Wir hören die Nachtigallen trapsen!]

„Der wahre und und allmächtige Gott ist nämlich einer, Jesus Christus.” Und in dessen Namen schlug Seelenfänger Ermolas dem weich geklopften „bescheidenen und gehorsamen Jüngling” einen Pakt vor: „Wenn du an Diesen glaubst, wirst du jegliche Krankheit allein durch die Anrufung Seines Allreinen Namens heilen.” Bald darauf findet Pantaleon, der nun täglich seinen neuen Mentor aufsucht, ein erstes, von einer Schlange gebissenes, totes Kind, um daran seine neue Fertigkeit zu erproben: Augen zum Himmel gerichtet; den Herrn angerufen - „Und sogleich stand das Kind lebendig auf ... die Schwarzotter aber zerplatzte.”

Wunderbar! Da capo! Im Nu wurde aus Pantaleon ein Panteleimon, ein Allerbar-mender. Und „von niemand erhielt man so schnelle und vollkommene Heilungen wie von Pantaleimon”. Da kamen seine „heidnische” Kollegen mit ihrer schnöden Wissenschaft und Schulmedizin natürlich nicht mehr mit. Als ihnen schließlich alle Patienten davon liefen und nur noch zum Wunderheiler gingen, verklampften sie ihn beim Kaiser als (un-)heimlichen Christen.

Maximian sympathisierte zwar mit seinem omnipotenten Leibarzt, der ihm sogar mit einem herbeigetragenen Gelähmten eine beeindruckende Privatvorstellung christlicher Anrufheilerei bot. Doch die Staatsräson verlangte danach, den erfolgreichen Christen nach den Regeln der Marterkunst zu beseitigen. Mit eisernen Krallen seinen Körper zu behobeln, und mit brennenden Kerzen an seinen Rippen zu fummeln, beherrschte man zwar schon einige Zeit vor Abu Ghraib (und anderen Segnungen des Christlichen Abendlandes und der daraus hervorgegangenen schönen Neuen Welt) doch Pantaleon hielt stand.

   Da musste schließlich das gute alte Richtschwert geschwungen werden. Der herbei gerufene Henker war in dessen Gebrauch zwar derart ungeschickt, dass er, statt den Kopf des an einen Olivenbaum(!) gebundenen Zauberheilers vom Rumpf zu trennen, Pantaleons Haupt entzwei schlug. Der Effekt war der gleiche: Pantaleons Märtyrer-Seele fuhr schnur-stracks in den christlichen Himmel, wo er heute als Patron der Ärzte und der Hebammen sitzt. Wobei ihm die Darstellung mit den auf den Kopf genagelten Händen erst von ostalpinen Malern des 15. Jahrhunderts angetan wurde. Der Legende nach war zuvor sogar Milch statt Blut aus der klaffenden Kopfwunde des Patrons der Heb-Ammen geflossen.

Abb. links: Votivbild aus St. Pantaleon im Innviertel
 

Hebammen-Patron im Umkreis der Borbeth  ^

Wir gehen der Keltenspur zuerst über Barbara und den Hebammen nach, bevor wir auch noch die geköpfte Katharina mit hineinziehen. Die dunkle Nothelferin und Heilerin Barbara, die mythologische Schwester der keltischen Borbeth, war es, die Pantaleon manche Kirchentür im Alpenraum geöffnet hat, um sich dort in die Schar der Vierzehn Nothelfer einreihen zu können. In Österreich tragen z.B. zwei dieser alten Borbeth-Kultplätze heute noch Pantaleon im Gemeindenamen: St. Pantaleon im Bezirk Braunau an einer alten Pilgerroute zur Schwarzen Mutter von Ötting, und St. Pantaleon/Erlauf in der Nachbarschaft des später nach Lauriacum verlegten Römerlagers nahe der Ennsmündung in die Donau, wo einst ebenfalls ein Pilgerweg zur Schwarzen Göttin verlief, die mehr und mehr durch „Jakobswege” zugedeckt werden.

An beiden Pantaleon-Orten findet sich in christlicher Verkleidung die dunkle Borbeth, die Bergerin und Heilerin und ehemalige Garantin für die irdische Auferstehung nach dem Tod. In beiden Fällen ist der ehemalige Heros der Heilergöttin, mit seinen Analogien zu Asklepios, Heros der Heil- und Weisheitsgöttin Athene, zwar offiziell seiner Muttergöttin über den Kopf gewachsen und statt ihr der Patron der Wallfahrtskirchen. Doch im Hintergrund geht es weniger um den fremden Mann mit den Händen über dem Kopf, sondern um die vertraute dunkle Frau.

In St. Pantaleon im Innviertel, ganz im Westen Oberösterreichs, wurde die Wall-fahrtskirche über einem - heute als Augenbrünnl bezeichneten - keltischen Quell-Kultplatz errichtet, von dem bis vor kurzer Zeit erzählt wurde, dass daraus früher die kleinen Kinder gekommen seien. Und die Schwarze Madonna ziert von kleinen Engeln umrahmt in Gestalt einer Mischform aus Loreto und Ötting den Altar der nördlichen Oberkirche. (Den gequälten Männern, Frauen und Kindern im nahen „Zigeuneranhaltelager” konnten in den 40er Jahren weder Pantaleon noch die Schwarze Madonna helfen, ihnen wurde sogar der Friedhof verwehrt, wenn sie an „Herzfleischentartung” gestorben waren - so die amtliche Todesursache, die auch der Titel eines Buches von Ludwig Laher ist.)

In St. Pantaleon an der Erla, im äußersten Westen Niederösterreichs, war Borbeth/Barbara in eine Kapelle südlich der Wallfahrtskirche abgedrängt worden, die - wie der Großteil der Kircheneinrichtung - im 19. Jh. der Neuerungswut zum Opfer fiel. Dafür besitzt Pantaleon hier die Stirn, sich in einer überlebensgroßen spätgot. Statue auf dem Hochaltar, als Kultgegenstand der ehem. Wallfahrt, mit den Insignien der Wilbeth/Athene-Nachfolgerin Katharina, mit (Sonnen-) Rad und Schwert zu schmücken!

Die größer dimensionierte Neuerungswut des 20. Jh., gemäß der nach Zwentendorf in St. Pantaleon an der Erla ein zweites Atomkraftwerk errichtet werden sollte, blieb den Mostviertlern am heutigen Donau-Radweg erspart. Wir kehren daher zum Schluss vom Atomstrom zum Sonnenlicht zurück, das auch die Äpfel besser vertragen. Zusammen mit dem der Athene heiligen Ölbaum der Pantaleon-Legende, dem antiken Symbol für Licht, Inspiration, Läuterung und Reinigung schließt sich der mythologische Kreis zur keltischen Wilbeth bzw. zum Licht- und Weisheitsheros Lug(h). Und selbst die für Heiler Pantaleon dargebrachten Opfer waren noch bis ins 20. Jahrhundert genuin keltisch: Eier - an Stelle der zuvor noch offerierten (schwarzen) Hühner
qwelle diekelten.at

mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

pantaleons-enthaupt_270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#49
02. September 2009, um 01:05:24 Uhr

Sauf Dich zum Iren! So lautet heute das griffigste Motto der rund um die Welt in den grünen Klee (Shamerock) schießenden Events zum St. Patrick's Day (17. März). Eine wunderbare Kurzfassung für die todsichere Methode der Zerstörung keltischer Kultur. - Und diese Zerstörung soll ja schließlich der Legende nach des Heiligen Patricks/Patricius/Padraigs Hauptaufgabe ge-wesen sein!

Was der Kommerz für Gründe immer zum Feiern hervor zerrt, Patrick schlägt sie heute alle! Zwar hat der gute Mann - wie viele katholische Heilige - vielleicht gar nie existiert, doch schon um das „Privileg” seiner Herkunft raufen sich Schotten, Waliser und Bretonen. In Schottland will Old Kilpatrick als Geburtsort gelten, in Wales ein Bannevem Taburniae, das auch das britannische Bannaventa Berniae - heute Banwell südwestlich von Bristol - gewesen sein könnte. Und in der französischen Bretagne tut sich insbesondere Lorient paradoxerweise damit hervor, gerade mit diesem seltsamen Patricius, dem legendären Totengräber der keltischen Kultur deren angebliche „Wiederbelebung” ankurbeln zu wollen, zu der dort jährlich im August ein Festival Interceltique de Lorient stattfindet.

Was den „Nationalheilen” betrifft, müssten wir ja nicht so pingelig sein! Nur weil ihn das Irische Tourismusbüro wörtlich so apostrophiert, dies auch noch zu zitieren, ist ja nicht die feine englische Art. Diese „feine Art” ist aber auch kein Merkmal der ganzen Patrick-Geschichte! Es deutet vieles darauf hin, dass der feine Heilige eher eine nach Frankensteinart zusammengeflickte Kunstfigur aus verschiedenen Bestandteilen ist, die von der römisch-katholischen Kirche einst als zweckmäßig angesehen wurde, mit ihr in Irland das keltische „Heidentum” zu tilgen.

Auf diese diversen Versatzstücke (z.B. angebliche Verwechslungen mit einem römisch-katholischen Missionsbischof Palladius) einzugehen, wäre an dieser Stelle müßig. Wie in Salzburg aus dem vielleicht auch fiktiven Rupertus - sofern es nicht eine Iren gleichen Namens gab - der passende Landes- und (ab Arno) Metropolitan-Heilige konstruiert wurde, so in Irland aus Patrick, der auf der zuvor keltischen Grünen Insel die Schlangen (der „heidnischen” Mutterreligion) vertrieben und den dreiblättrigen Klee (Shamerock) eingeführt haben soll. Das mit dem Klee, mit dem Patrick seiner Legende nach den Ungläubigen die Augen bezüglich der göttlichen Dreifaltigkeit geöffnet haben soll, ist eine massive Unverschämtheit! War doch der Klee aus dem augenscheinlichen Grund der Einheit der drei Blätter ein uraltes Symbol der irokeltischen Muttergöttin-Trinität - damals seamroy genannt!

Doch mit Patricks Hilfe funktionierte die römisch-katholische Kirche natürlich noch weit mehr um. So z.B. auch die keltischen Feuer- und Reinigungsrituale, die unter seiner Patronanz zu christlichen Erfindungen umgedeutet wurden. Auf Patricks Bitte habe es der neu etablierte Vatergott doch tatsächlich erlaubt, dass den Iren das Fegefeuer erspart bleibe, wenn sie sich durch die eigenen Feuer reinigen und entsühnen. Der absolute Gipfel der Unverschämtheit bestand jedoch in der frommen Behauptung, dass Patrick den katholischen Iren das Jüngste Gericht erspare, weil er selbst vorher über sie an Stelle Gottes richte! Eine weltweit einzigartige Form nationalen Nepotismus in Gottes Namen, ein Ablassbrief der Sonderklasse!

Wie sagte meine Großmutter, die ehemalige Wirtin: „Wer's glaubt, wird selig! - Wer's nicht glaubt, kommt auch in den Himmel!” Eine irdische Ver-günstigung hat Patrick - der angeblich 40 Tage fastend auf dem Heiligen Berg Croagh Patrick verbrachte, wo ihn der Teufel versuchte (womit wohl?) - seinen Fans zu deren Lebzeiten ganz sicher beschert: In den Tagen um Patrick's Day ist zur Gaudi der Iren - und der Wirte - das vorösterliche Fastengebot aufgehoben! (Schließ-lich ist der 17. März ein uralter Festtag der Frucht-barkeit und Fülle!) Prost Patrick!
 qwelle diekelten at

mfg.zenzi



Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

patrick-270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#50
11. September 2009, um 08:59:52 Uhr

Ursprünglich kannte das Christentum nur einen Herrn, Gott, aber darüber hinaus keine Oberhäupter bzw. eine Kirchen-Hierarchie. Das änderte sich allerdings bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert höchst nachhaltig, besonders als sich Kaiser Konstantin mit Hilfe des organisierten Christentums und seiner Soldateska anschickte, die absolute Allein-Herrschaft über das Imperium an sich zu reißen. Nun waren Funktionen im katholischen Klerus mit Macht und Reichtum verbunden – und mit einem erbitterten Kampf um noch mehr desselben. Nach dem despotischen Vorbild des Kaisers sollte es auch ein „kirchliches Oberhaupt” geben. Dazu brachten sich die Anführer der christlichen Zentren von Jerusalem, Alexandria, Antiochia, Konstantinopel und Rom in Stellung, die mit allen möglichen und unmöglichen „Begründungen” verbissen um die Vorherrschaft im Gefüge der künftig alleinherrschenden Staatsreligion stritten.

Besonders taten sich bei diesem Kampf die machtbewussten Bischöfe der ehe-maligen Kaiserresidenz Rom hervor, die im römischen Imperium der Mittelpunkt der Welt war. Doch der Emporkömmling Konstantin aus der Provinz, auf den die Aristokratie Roms verächtlich herabsah, hatte seinen Thron in die nach ihm benannte neue Hauptstadt Konstantinopel an den Bosporus verlegt. Damit stellte er aber umgekehrt die Herrschaft über den glorreichen Mittelpunkt des Imperiums, die „Ewige Stadt” Rom selbst zur Disposition. Die Chance ließen sich die regierenden Stadtherren Roms natürlich nicht entgehen. Da ging es „nur” noch um passende „himmlische Zeugen” für den Anspruch des „obersten Römers”, des katholischen Bischofs auf kirchliche (und später auch weltliche, ja universelle) Oberherrschaft!

Jesus selbst war dazu wegen seines geographisch eingeschränkten Wirkens eher nicht geeignet - aber der von ihm (nicht) eingesetzte „Stellvertreter” Simon Petrus, der in den Aufzählungen der „Jünger” immer an erster Stelle genannt wurde. Zwar sagt das Neue Testament dazu eigentlich nichts aus. Doch wer kann schon das Gegenteil beweisen! Also kam der „Apostelfürst” Petrus (der mit den Himmels-Schlüsseln) nach Rom, um dort eigenhändig die erste Christengemeinde zu gründen und als deren Oberhaupt zu wirken. Somit musste dann jeder Nachfolger in dieser Funktion direkter Nachfolger des Apostelfürsten und damit selbst oberster Kirchenfürst sein!

Nein mit den Kelten hat diese Geschichte nichts zu tun, aber mit Chuzpe! Und die war dann auch bei der Missionierung der Kelten gefragt! Das ging z.B. soweit, dass selbst phonetische Ähnlichkeiten zu durch den Zweck geheiligten Mitteln wurden. So geriet konkret Petrus, der ursprünglich den Führungsanspruch der Bischöfe von Rom symbolisieren sollte, als Peter (sprich: „Beda”!) zum christlichen Platzhalter an uralten Bethen-Kultplätzen der Ostalpen. Ein Parade-Beispiel dafür ist das Kloster St. Peter in Salzburg.

Fast „in einem Aufwasch” mit dem Namenszauber der Bethen-Nähe wurde dem (per Bindemagie) „Herrn über das Himmlische Tor” auch Gewalt über das Wetter zugesprochen, die bei unseren Vorfahren der Muttergöttin zugeordnet war, bevor sie diese Dienstleistung einem Heros übertrug. – Was wiederum später wunderbar zur hartnäckigen Fehldeutung passte, dass der ostalpine Atmosphäre-Heros Taranis unseren Ahnen „Herr des Himmels” gewesen sei. Doch der Vergleich enthüllt auch die Unhaltbarkeit der bis heute kolportierten Interpretation: Wie Petrus war Taranis nie Gott gewesen, sondern nur Polterer im göttlichen Auftrag! Und ostalpine Großmütter pflegten bis ins vorige Jahrhundert bei Gewitter und dem begleitenden Donner ihre Enkelkinder mit dem scherzhaften Hinweis zu beruhigen, der Lärm komme davon, dass Petrus da oben gerade beim „Kegelscheiben” sei.

qwelle diekelten
mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

paulus-petrus-corregio_270.jpg
Offline
(versteckt)
#51
11. September 2009, um 10:22:48 Uhr

 Schockiert Smiley Verlegen Smiley
hörbuch oder video !!!
weit zu viel zum lesen
 Irre Smiley Irre Smiley Irre Smiley Irre Smiley


Offline
(versteckt)
#52
11. September 2009, um 11:55:08 Uhr

Hi Titus

Macht nicht bildung ist alles, Weise  Super Smiley

gruß willi Winken

Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#53
11. September 2009, um 15:56:17 Uhr

sollst es ja auch nicht auf einmal lesen  Grinsend Smiley

bis heut abend

mfg.zenzi

Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#54
13. September 2009, um 09:44:50 Uhr

Im munteren Installieren eigener „Familien- & Stammes-Heiliger” waren die aus politischem Kalkül „christianisierten” Barbarenhäuptlinge der germanisch-fränkischen Merowinger und ihre Hausmeister und Usurpatoren von den Pippiniden bis zu den Karolingern ebenso fantasievoll und großzügig wie beim gewinnbringenden Morden - von der eigenen Verwandtschaft bis zu ganzen Völkern. Mit beidem verschonten sie auch nicht unsere Vorfahren und unzählige ihrer Heiligen Orte, denen sie zuletzt mit päpstlichem Segen ihre diversen „Familien-Heiligen” über stülpten.

Den realen historischen Anlässen zum Hohn haben wir dabei unter anderem solche Heiligengestalten geerbt wie z.B. Gertrud, Tochter des Verräters und Bajuwaren-Bezwingers Pippin I., und Ottilia, Tochter eines burgundischen Dux Gundoin oder Athich - und nicht zuletzt die etwas überwutzelte Quellnymphe Radegundis, ursprünglich die vierte oder fünfte(!) Hauptfrau des mero-wingischen Christenkönigs und begnadeten Polygamisten Chlotar I., der wir uns an dieser Stelle mit geteiltem Respekt nähern.

Die historische Radegund soll aus Thüringen stammen und dort in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts Tochter des Königs Berthachar gewesen sein, der sich die Königswürde mit seinen Brüdern Baderich und Irminfried (Herminfrid) teilte - bis letzterer durch Brudermord zum Alleinherrscher aufstieg. Irminfrieds „Glück” währte allerdings relativ kurz, da ihm im Jahr 526 der alte Verbündete und Onkel seiner Frau, der im byzantinischen Auftrag herrschende bisherige „König” von Italien, der Ostgote Theoderich, verstarb. Hinter dessen Rücken hatten die römisch-katholischen Bischöfe von Rom, die sich selbst als befugte Weltherrscher sahen, schon längst eine politische Achse mit den Franken im Westen und den Byzantinern im Osten zur Vernichtung der Ostgoten, der Langobarden und ihrer Verbündeten geschmiedet.

Damit war die politische Weltlage für die expansionslüsternen Frankenhorden äußerst günstig und prompt überfielen sie unter Theuderich I. - der zuvor Irminfred beim Brudermord unterstützt hatte - und seinem Halbbruder Chlotar I. im Jahr 531 mit quasi „päpstlichem Segen” Thüringen. Die siegreichen Frankenhorden verschleppten neben anderen Geiseln auch die damals ca. 10jährige Radegundis, welcher der gesalbte christliche König Chlotar bald nachstellen und das letzte lebende Mitglied der thüringischen Königsfamilie zu einer weiteren Ehegattin machen sollte.

Da diese „Heirat” allerdings auch den Anspruch auf die Herrschaft über Thüringen bedeutete, der eher Theuderich zustand, ließ Chlotar, dessen Interesse an Radegundis mit der Zeit ohnehin abgekühlt war, die alternde Königin schließlich in die Arme der prosperierenden Kirche fliehen und finanzierte ihr im Jahr 552 dazu noch die Gründung eines eigenen Klosters (Ste-Marie-hors-les-Murs) vor den Mauern von Poitiers, wo sie sich der Kranken- und Kinderpflege widmen konnte, wie ihr der rund 20 Jahre jüngere Freund und Biograph Venantius Fortunatus aus der Prosecco-Heimat Valdobbiadene später zugeschrieben hat.

Radegunds mythologische Erbschaft an der Clain  ^

Als die fromme Radegund nach Jahren vom byzantinischen Kaiser Justinus II. ein Stück der unendlich vielen Splitter vom „Wahren Kreuz Christi” erhält, wird aus ihrem Marien-Kloster schließlich die Abtei Sainte-Croix (Heiliges Kreuz) gemacht, bis heute ein berühmtes Wallfahrtsziel, das aus Gründen der etablierten Kulttradition in unmittelbarer Nähe oder direkt über einem keltischen Wasser-Heiligtum an der Clain errichtet worden war, das in gallorömischer Zeit einer alten Mond-, Wasser- und Fruchtbarkeitsgöttin gegolten hatte. Es handelte sich wohl um eine keltische Form der bei den Römern als Diana Nemetona (Leuchtende Göttin vom Heiligen Hain) bezeichneten Wasser-, Frauen- und Kinder-Patronin, ein Aspekt der Dreifachen Göttin, unter dem sie jährlich am 13. August gefeiert wurde - ein der so genannten Himmelfahrt Mariens (15.8.) sehr naher Termin, den nun die Merowinger für „ihre” Radegund in Anspruch nahmen.

Von Radegund existieren auch noch Varianten, die keinen adeligen Stammbaum haben. So z.B. eine Radegund von Wellenburg bei Augsburg, bei der sich Elemente der thüringischen Radegund mit jenen der Notburga mischen, die ebenfalls eine Art kelto-romanischer „Diana-Verschnitt” ist. Die der Hl. Radegundis geweihte Kultstätten sind jedenfalls europaweit mit Heiligen Quellen verbunden, bzw. ist umgekehrt Radegundis neben „Unserer Lieben Frau” die häufigste „Quell-Heilige”.


The St Radegund, 129 King Street, Cambridge   In Cambridge ist St. Radegund auch Patronin an einer Quelle des Wissens. Da das dortige Jesus College an der Stelle eines Nonnen-Klosters Saint Ma-ry & Saint Radegund errichtet wurde, ist die Quell-Heilige dort auch zur College-Patronin avanciert. Wer je-doch in Cambridge profaneres als den Wissens-Durst löschen will, der steuert eher das Pub The St Radegund (The St Rad) in der King Street an, das auf seine Art auch eine Kultstätte ist.

qwelle diekelten

mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

radegund-woelfe_270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#55
08. Oktober 2009, um 11:19:46 Uhr

Teufel oder Satan in der Schar der Heiligen!? Verdrehen die jetzt alles auf den Keltenseiten – um sogar noch auf dem Umweg durch die Hölle keltische Bezüge an den Hörnern herbeizuziehen? Zugegeben, der Teufel wurde in diversen Spielarten im östlichen Mittelmeerraum erfunden! Aber solche Herkunft hat noch keine bessere mythologische Gestalt daran gehindert, später z.B. in den Ostalpen – auf „Teufel komm raus” – eine spezifische Karriere als (durchsichtiger) Ersatz für keltische Göttinnen und Heroen zu machen.

Konkret ist der bei uns bekannte Teufel oder Krampus eine Gestalt, die – mit böser Absicht – erst mit dem Christentum bzw. als Folge der „Christianisierung” über uns gekommen ist. Zwar kannten schon die Kelten eine Art „Herrn der Unter-Welt”, doch war dies eine positiv besetzte Figur: Cernunnos, die „Wintergestalt” des Heros der keltischen Muttergöttin, der Bethen-Trinität, der in ihrem Auftrag über die paradiesartige „Anderswelt” herrschte, über ihren (im Erdinnern) vermuteten Bauch, in dem sich die Seelen der Verstorbenen lustvoll regenerieren konnten, um nach dem heilsamen Aufenthalt im Seelen-Welleness-Center ihre irdische(!) Wiedergeburt zu erleben.

Der Name des Anderswelt-Kurdirektors, Seelenbeschützers und -Heilers, Cernunnos, hängt eng mit dem Wachsen (CER) zusammen, das unübersehbar den ewigen Kreislauf des Lebens bestimmt. Und da gibt es gerade auch eine Verbindung zum Zeichen seiner Würde, zur Hörner-Krone, die symbolisch analog der Hirsch (Lat.: CERVUS, eine Art „Herr des Waldes”) als zyklisch wachsendes Geweih auf dem Kopf trägt. – Wobei schließlich im Laufe der Entwicklung von Landwirtschaft und Viehhaltung auch Stier und Schafbock (Widder) zu analog verwendeten Symbol-Tieren wurden, und damit die Vorstellung unserer Vorfahren vom möglichen Aussehen „ihres” Cernunnos beeinflussten.

The Road to „Hell”  ^

Schon obige Skizzierung keltischer Glaubensvorstellungen zum Thema Tod und Wiedergeburt lässt ahnen, dass es für die katholische Kirche und ihre Vertreter eine „Harte Nuss” sein musste, ihr „Christentum” hierzulande als begehrenswerte Alternative in den Köpfen und Herzen der keltisch geprägten Menschen zu etablieren. Paulus, der eigentliche Begründer des dualistischen „abendländischen Christentums” (Kampf zwischen „Gut” und „Böse”, Erlösung im „Jenseits” usw. tat sich insofern noch leicht, als die Mythen und Religionen in seinem nahöstlichem „heidnischen” Wirkungsumfeld zum Teil „das Böse” und Verkörperungen desselben kannten – während im monotheistischen Judentum, der eigentlichen Wurzel des Christentums, der Engel Satan kein Widersacher oder Gegner Gottes ist, sondern eine Art himmlischer „Staatsanwalt” (wörtlich: Ankläger).

Im Gegensatz zu den jüdischen Vorstellungen konnten derartige, in Anknüpfung an griechisch/kleinasiatische (Helios > Luzifer, Pan), babylonische (Baal > Baal Sebub > Beelzebub) und römische (Fauna/Faunus) Mythen, von den von Paulus und Co. organisierten „Christen” des Römischen Reiches für ihre Zwecke als Waffen aufgegriffene und adaptierte Schreckgestalten, bald als – nicht willkommene aber wichtige – Säulen des neuen Glaubens auftreten.

So wurde in unseren Breiten aus dem schützenden Fürsten der Anderswelt und Heilerheros Cernunnos der bedrohliche Höllenfürst und Krampus. Und damit es auch ja alle begreifen konnten, wurden die alten Attribute des Heros – bis hin zur Hörner-Krone – zu den Erkennungszeichen des christlichen Teufels. – Wer heute um den 5. Dezember nichts sinnvolleres zu tun hat, verkleidet sich als Krampus oder „Schiachpercht” und lässt, in historisch bewährter Brauchtums-Tradition, einmal so richtig die sadistische Sau raus! (Man[n] gönnt sich ja sonst nichts! Und wo sollen die Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung dzt. schon hin mit ihrem aufgestauten Frust!?)

qwelle diekelten.at


mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

lucifer-wein_270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#56
21. November 2009, um 18:47:29 Uhr

Ulrich
Kanonisierter Erbgutverwalter von Afra & Isis-Noreia – 4. Juni/Juli

Bischof Ulrich träumt von Afra
Gotisches Tafelbild, 1480
St. Ulrich und Afra, Augsburg   

Ulrich war kein Kelte, sondern zwischen 923 und 973 römisch-katholischer Bi-schof von Augsburg und mächtiger Feudalherr. Und doch ist Ulrich in einer Zeit groß geworden, in welcher der „Endkampf” gegen keltische Glaubensvor-stellungen und Mythen in unseren Breiten noch immer nicht entschieden war. Und folgerichtig schaut hinter dem Heiligen Ulrich an allen Ecken und Enden keltisches Glaubensgut hervor. Hatte ihn doch schon sein Glaubensbruder Wolfgang, Bischof von Regensburg (und Heiliger nach ganz ähnlichem Muster), unter Zuhilfenahme vorchristlichen Erbguts zu einer vielseitig verwendbaren mythologischen und ideologischen Waffe in diesem zähen Kampf um den rechten Glauben für einen siegreichen feudalen Zentralstaat umgeschmiedet.

Als Ulrich oder Uodalrih um das Jahr 890 in Wittislingen nahe Augsburg oder in Augsburg selbst – das damals noch nicht zu Bayern, sondern zu Alemannien gehörte – als Sohn eines angeblichen Gaugrafen Hupald von Dillingen geboren wurde, war das riesige Frankenreich der Karolinger durch deren Erbrecht zu Gunsten regionaler Adelsherrschaft relativ destabilisiert und zersplittert. Der Hochadel des ostfränkischen Teil-Reiches hatte 887 König Karl III., den Dicken, auf dem Reichstag von Tribur (heute Trebur) abgesetzt und seinen Neffen Arnulf von Kärnten zum König erhoben. Arnulf, der vorletzte Karolinger, wurde in der Folge zur ersten Galionsfigur des Feudalisierungsprozesses, der gerade im Osten des Reiches besonders zäh verlief, wo die Bevölkerung auf dem Land noch zu einem großen Teil aus freien, nicht feudalabhängigen Bauern bestand, die sich der Unterwerfung unter die Lehnsherrschaft von Adel und Klerus noch immer hartnäckig widersetzten - und wohl noch in großem Umfang den Religionsvorstel-lungen ihrer keltischen Ahnen anhingen. (Katholizismus war Herren-Religion!)

Die Feudalisierung (Unterwerfung und Dienstbarmachung) konnte einerseits nur mittels straff organisierter militärischer Gewalt durchgesetzt werden, andererseits führten die damals fast jährlich stattfindenden Raubzüge der Magyaren (Ungarn) dazu, dass sich die Bauern früher oder später doch gezwungen sahen, sich dem „Schutz” der Feudalherren zu unterstellen und als „Gegenleistung” lehensabhängig, tribut- und robotpflichtig zu werden. So ein „Lehnsherr” war unter vielen wohl auch Ulrichs Vater Hupald von Dillingen - Eine (Grafen-) Burg Dillingen ist allerdings erstmals 973 genannt! - gewesen, der seinen Sohn im Jahr 900 der kirchlichen Laufbahn verschreibt, die damals in Form von Bischöfen und Äbten ebenfalls durch einträgliche Feudalherrschaft gekrönt wurde.

Blütezeit des frühfeudalen ostfränkischen Episkopats  ^

Überhaupt war das 10. Jahrhundert eine Hochzeit des ostfränkischen Epis-kopats. Da König Arnulf nach einem Schlaganfall weitgehend regierungsunfähig geworden war, hatte er schon 897 seinen damals vierjährigen Sohn Ludwig zum Nachfolger bestimmt. Und nach Arnulfs Tod im Dezember 899 erhoben die Ostfränkischen Bischöfe und „weltliche Große” den nun Sechsjährigen zu Beginn des Jahres 900 nominell zu ihrem König Ludwig IV., genannt das Kind. Die eigentliche Herrschaft übten jedoch die beiden Kleriker und Ämterkumulierer Hatto I., Erzbischof von Mainz, Abt von Reichenau und anderer Klöster, und Salomo III., Graf von Ramschwag, Bischof von Konstanz und gleichzeitig Abt des mächtigen und reich begüterten Klosters St. Gallen, aus.


Klosterplan von St. Gallen (Ideal-Plan) aus dem 9. Jh.

Im selben Jahr 900 trat der damals zehnjährige Ulrich, der spätere Heilige, in die Abtei von St. Gallen ein. Nach acht Jahren war Ulrichs nächster Karriereschritt das Amt des Kämmerers bei seinem Onkel Adalbero, Bischof von Augsburg, auf dessen Nachfolge der adelige Teenager spitzte. An sich befand sich Ulrich in guter Position, war doch Onkel Adalbero neben den genannten Bischöfen Hatto I. und Salomo III. als „Erzieher” König Ludwigs sozusagen der Dritte im Bunde, ja vielleicht sogar der eigentliche Regent des ostfränkischen Reiches. Doch als der Onkel im April 909 stirbt, ist sein Neffe noch etwas zu jung für das Bischofsamt. Und so wird ihm in Augsburg ein gewisser Hiltine vorgezogen.

Vierzehn Jahre lang muss Ulrich warten. Eine Zeit, die er sich mit der Verwaltung der Familiengüter vertreibt. Als mit dem Tode Bischof Hiltines im November 923 endlich eine neue Chance winkt, wird von den Dillingern rasch zugeschlagen. Die Interventionen bei König Heinrich I. (911-936), zuvor mächtiger Herzog von Sachsen, sind erfolgreich und Ulrich von Dillingen wird am 28. Dezember 923 doch noch zum Bischof von Augsburg geweiht. - Im Hintergrund wirkte dabei wohl auch die von Heinrich zuvor den Herzögen von Schwaben (919) und Bayern (921) zugestandene Verfügungsgewalt über die Kirche.

Im Gegenzug scheint sich Bischof Ulrich – nicht zuletzt zur Sicherung des eigenen Besitzstandes – wie viele seiner Amtskollegen bald eifrig an den Rüstungs-Maßnahmen König Heinrichs (Aufbau einer Panzer-Reiterei, Ausbau der Bur-gen, Ummauerung der Städte) beteiligt zu haben, die dieser nach den verheer-enden Ungarneinfällen von 924 bis 926 in die Tat umsetzte.

Als es König Heinrich – der sich nach seiner Wahl durch die fränkischen und säch-sischen Adeligen in Fritzlar demonstrativ einer geistlichen Salbung widersetzt hatte – gelungen war, sich eine starke Zentralgewalt aufzubauen, entzog er den zuvor hofierten Herzögen wieder schrittweise die zugebilligten Rechte und setzte zur weiteren Konsolidierung seiner Macht mehr und mehr auf die Kirchenfürsten und die kleineren Feudalherren, die sozusagen natürlich Feinde der Herzöge waren. - Eine Linie, die Heinrichs Sohn und Nachfolger Otto I. (936-973), genannt der Große, erfolgreich fortsetzte.

Mit König Otto I. auf der Siegerstraße gegen Herzöge und Ungarn  ^

Bischof Ulrich von Augsburg gehörte auch zu den engsten Parteigängern König Otto I., der die Herzogtümer des sich herausbildenden frühfeudalen deutschen Staates nach der Reihe mit Angehörigen seiner Familie besetzt, ohne damit aber die Herzogs-Opposition unterbinden zu können. Ottos Bruder Heinrich bekam auf diese Weise 947 das Herzogtum Baiern und Ottos Sohn und designierter Nachfolger Liudolf im Jahre 950 das Herzogtum Schwaben, in dem damals auch das Bistum Augsburg lag. Doch Ottos wichtigste Stütze waren die geistlichen Feudalherren, die sehr reich dotiert und begütert wurden, aber auch zusehends die Hauptlast des Heeresaufgebotes zu tragen hatten.

   Eng verflochten mit Ottos „Reichskir-chensystem” war auch unser Heiliger Ulrich. Während Herzog Liudolfs Auf-stand in den Jahren 953/54 schlug sich der Bischof von Augsburg mit „seiner” wohlgerüsteten Stadt auf die Seite von König Otto und vermittelte mit Bischof Hartbert von Chur (auch Abt von Ellwangen) einen Waffenstillstand zwischen Vater und Sohn. Und als im Jahr darauf die Ungarn wieder in Süddeutschland einfielen, fand die letzte Entscheidungs-Schlacht zwi-schen dem hochgerüsteten Heer König Ottos und den beutehungrigen Ungarn der Legende nach am 10. August 955 just vor den Toren Augsburgs statt.

Abb. links: Schlacht auf dem Lechfeld
Buchmalerei von Hektor Muelich, 1457
Meisterlinchronik Staatsbibliothek Augsburg
 

Der endgültige Sieg über die Ungarn trug König Otto den Beinamen „der Große” ein und Bischof Ulrich den Ruf, „schon zu Lebzeiten der wohl beliebteste deut-sche Kleriker” gewesen zu sein. (Ob das allerdings damals schwierig war, wollen wir an dieser Stelle dahingestellt sein lassen.) Der geistliche Feudalherr von Augsburg soll jedenfalls das damals außerhalb der Stadtmauern gelegene Heilig-tum der Stadt-Patronin Afra, das die Hunnen angeblich zerstört hatten, neu aufbauen haben und gleich so anlegen lassen, dass er sich später wirkungsvoll selbst neben Afra legen konnte. Damit schuf sich Ulrich eine höchst geeignete „Startrampe”, nach seinem Tode raketenschnell in den Heiligenhimmel aufzusteigen und dort in vielen Belangen Afras (keltisches) Erbe anzutreten.

Keltische Sehnsüchte hinter kanonisiertem Feudalherrn  ^

Damit wenden wir uns endlich ab, von dem „geistlichen” Feudalherren aus Fleisch und Blut und jenen Mythen zu, die vom frischgebackenen Regensburger Bischof Wolfgang angefangen, über den zeitgenössischen Biografen Gerhard, Domprobst zu Augsburg, bis zu den folgenden deutschen Kaisern aus vielfältigen - aber durchschaubaren - Gründen im Laufe der Zeit in den bald Heiligen Ulrich hineinprojiziert und von den Schäfchen der diversen Hirten mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurden.

Bei allem Respekt vor den Leistungen des Feudalherren Ulrich von Augsburg, für den in der „Schlacht auf dem Lech-feld” übrigens ganz prosaisch sein Bru-der Diepald von Dillingen das Augs-burger Aufgebot anführte: Besondere Zeichen von Heiligkeit hat die histori-sche Person Ulrich zu Lebzeit keine ge-setzt – außer den Reliquien-Schatz seiner Kirche zu mehren (damals eine Art von Fonds, heute eine „Heiltums-Kammer”). Und selbst das mit seiner amtlichen Heiligsprechung durch Papst Johannes XV., angeblich der ersten Kanonisation durch einen Papst, ist das so eine Sache! Überhaupt wenn dieser Papst sich „durch Nepotismus schlimmster Art und krankhafte Geld-gier” auszeichnete (Hans Kühner). Die auf den Februar des Jahres 993 ausge-stellte Urkunde soll aber ohnehin eine Fälschung sein!

Abb. re.: Eingang zur Heiltumskammer
in der Basilika St. Ulrich & Afra in Augsburg
   

Der tote Ulrich scheint jedoch mit seiner unübersehbaren Nähe zur alten (vor-christlichen?) Stadtpatronin Afra, eine willkommene Projektionsfläche für diverse Legenden abgegeben haben, die mithelfen sollten, die alten Mythen und Rituale der noch immer spürbaren keltischen (und kelto-romanischen) Religion weiter zu entschärfen, sie zu „reinigen” (entsexualisieren) und auf katholische Mühlen umzulenken. Ein Ansinnen, dem Ulrich sogar noch im Gefolge der Reformation – die gerade in Augsburg große Erfolge verzeichnen konnte – zu entsprechen hatte.

Der Freitags-Fisch als verwandeltes Gänsebein  ^

Der zum zentralen Attribut Ulrichs avancierte Fisch ist dabei der „Haupt-Schlüssel”, um die vorchristlichen Wurzeln und Zusammenhänge aufzuspüren, die der kanonisierte Feudalherr bis an die ungarische Grenze im „christlichen” Sinn zu interpretieren hatte. Die zugehörige Fisch-Legende ist auf den ersten Blick reichlich banal und wie ein „klassisches Ammen-Märchen” gestrickt. Demnach soll Bischof Ulrich einst an einem nicht näher bestimmten Donnerstag in seiner Augsburger Residenz mit seinem Freund und Kollegen Konrad, Bischof von Konstanz, ein umfangreiches Abendmahl nach Art der mittelalterlichen Feudalherren genossen haben, das sich mit üppigen Speisen, süffigen Weinen und anregenden Gesprächen bis weit nach Mitternacht hinauszog.

Während die gesättigten Bischöfe am frühen Freitag-Morgen immer noch beisammen sitzen und reden und reden, kommt ein herzoglicher Bote, der von Ulrich als Lohn großzügig ein Stück von den zuhauf liegenden abendlichen Bratenresten erhält, eine fette Gänsekeule. Der Bote denkt sich sein Teil („Gänsebraten am Freitag, am Todestag des Herrn, an dem die Christen doch zu fasten haben!?”) und bringt das „Corpus Delicti” seinem weltlichen Herrn. Doch siehe da: Als der falsche Postillon d'Amour vor dem Herzog seine - mittlerweile wohl stark duftende - Tasche öffnet, um das verräterische Bratenstück ans Licht zu bringen, hat sich das brave Gänsebein von selbst in einen für Freitag gebotenen Fisch verwandelt! Oh Wunder! Der Bote ward blamiert und Ulrich, der angebliche Fastenbrecher, erhielt sein bis heute auffälligstes Attribut, besagten Fisch!


Hll. Ulrich & Dorothea, Gefährtin der 3 Madln (Bethen), und Fisch, Fresko c.1400, St.Martin/Lg., Bild: © burgenseiten.com

Ja und? Was weiter? Ganz einfach: Hier haben wir es mit keiner Ammen-Mär zu tun, sondern mit bedeutungsvollen, aber auflösbaren, Chiffren! Die Ver-Wandlung von oder zu Nahrungsmitteln (als sublimiertes Lebendopfer bis hin zum Sakral-König, Herrn und Erlöser) ist nicht nur zentraler Bestandteil der christlichen Eucharistie („Abendmahl” aus Fleisch und Blut zu Brot und Wein), sondern kultischer Mittelpunkt vieler, weit älterer, Religionen - z.B. der Mysterien des Dionysos (dt. Gottessohn!) oder der Isis-Mysterien im Römischen Reich. Und auch der Fisch, und gerade der Fisch am Freitag, ist beileibe keine christliche Erfindung. Auch wenn viele Katholiken in den Ostalpen – von wegen ICHTYS (Iesous CHristos, Theou YioS, dt. Jesus Christus, Gottes Sohn) – ihr Auto mit einem stilisierten Pickerl-Fisch (gr. ichty..., fisch...) schmücken, dass das erste Erkennungs-zeichen der Christen in der Römischen Kaiserzeit gewesen sein soll: Der Fisch ist ein uraltes Sexual-Symbol, eines der ersten – „kinderleicht” deutbaren – Zeichen der Großen Ur-Mütter, Fruchtbarkeits- und Liebes- Göttinnen!

Der Fisch, der aus der göttlichen Vagina kam  ^

Und tatsächlich: Den auf die typischen Umrisslinien reduzierten „Fisch” und die „Mandorla” (ein Hoheitszeichen der Römischen Kaiserzeit - als Zeichen, von der Großen Göttin eingesetzt, legitimiert zu sein), wissen schon eifrig kritzelnde Volksschüler richtig zu deuten – ohne die „vesica piscis” als solche zu kennen, die wohl auch deshalb in die Ausbildung der Volksschul-Lehrerinnen eingebaut gehörte. (Es muss ja nicht gerade Geometrie sein!)

       

Das oval zugespitzte Zeichen, eben auch vesica piscis (lat. vesica = cunnus = weibliche Scham; lat. piscis = Fisch) genannt (oder Yoni, nach der tantrischen Version, der „Himmelspforte” der Großen Göttin), ist ein weltweit verbreitetes Symbol für die Große Mutter bzw. (pars pro toto) für ihren lebenspendenden Schoß, ihre Vulva (dt. Gebärmutter) bzw. Vagina (dt. Scheide). Und die alten Griechen hatten für Schoß und Fisch z.B. ein synonym verwendetes Wort, delphos, das übrigens sowohl in Delphi, dem ehemaligen Orakelort der fruchtbaren Fischgöttin Themis, als auch im Delphin steckt, der zwar (wie Jonas Wal oder Lindwurm) streng genommen kein Fisch ist, aber uralter mediterraner Seelen-begleiter bis zur Wiedergeburt.

Da sind wir endlich wieder bei Aphrodite, der griechisch-römischen Variante der keltischen Noreia-Isis und der „christianisierten” Afra der nördlichen Voralpen, zu deren Seite unser Ulrich an ihrem ehemaligen Kultplatz in Augsburg liegen soll. Venus-Aphrodite war im Römischen Reich auch als Fisch-Göttin Aphrodite Salacia (= „Schoß voller Fische”) bekannt. Ihr heiliger Wochentag war der Freitag (im Lateinischen dies veneris, Tag der Venus und der Liebe), und an diesem Tag, an dem „orgienartige Fisch-Essen” veranstaltet wurden, schenkte sie – auch in Augusta Vindelicorum zwischen Uinda und Lika – Wollust im Übermaß. Fisch gilt ja (trotz christlicher Entsexualisierungs-Versuche) bis heute als aphrodisierend, „den Geschlechtstrieb anregend”!


Meerjungfrau (Isis) im Kreuzgang von Stift-Ardagger (NÖ) Nicht nur rund ums Mittelmeer war die Zuordnung eindeutig. Auch die Kelten brachten den Fisch in engsten Zusam-menhang mit Fruchtbarkeit, mit Sexu-alität und Gebärfähigkeit. So war z.B. auch sein Verzehr wichtiges „Hilfsmittel” für Frauen mit Kinderwunsch. Und wie z.B. Isis den Osiris bzw. seinen Penis rituell verschlingt und zum Großen Fisch der Meerestiefe wird, um ihren Heros zyklisch neu hervorzubringen, so kannte die keltische Mythologie ebensolche, dem Jahreslauf folgende Verwandlungen mit ganz ähnlicher Symbolik, die natürlich im „Reich” der Noreia-Isis bis weit nach „Christi Geburt” Gültigkeit hatte, und noch heute in durchschaubarer Form - bis zur Meer-Jungfrau (Isis) - ostalpine Kirchen ziert.

Um auch hier den Bogen zu den Heiligen Ulrich und (dahinterstehend) Afra zu schließen: An Aphrodites ehemaligem Hauptkultplatz auf Zypern wird bis heute die christliche Gottesmutter Maria als „Panhagia Aphroditessa”, als „Allheilige Aphrodite” verehrt! Da können doch Afra und Ulrich in Augsburg...! Ulrichs Fisch ist jedenfalls eindeutig Afras/Aphrodites Fisch!

Mit Ulrichs Hilfe vom Fisch zur Minne  ^

Ja. Ja! Keine Angst! Wir haben noch mehr Indizien für die Ulrichs-Mission, den Frauen-Kult der keltischen Ostalpen zu entschärfen bzw. umzuleiten, zu subli-mieren: Die so genannte Ulrichs-Minne z.B.! Die Minne, jene eigenartige Personifikation der Liebe, die eine Art „Aphrodite des Mittelalters” war, wurde gerne als fischartige Meerjungfrau dargestellt, ähnlich der heute noch auf gotischen Christophorus-Fresken zu bewundernden Isis (-Noreia), die dort als Fischweib oder Meerjungfrau zwischen den Beinen des Christusträgers die Verbindung zu den keltischen Muttergöttinnen der Ostalpen aufrecht erhält - bis hin zum Klosterwappen von Lambach, das auch die Gemeinde verwendet.

Die göttliche Minne war ambivalent und kannte zwei Seiten: Die Liebe als lust-volle körperliche Vereinigung und die „Höhere Minne”, den „sublimierten” Sex, der auch den offiziellen christlichen Vorstellungen von Liebe als „caritas” entsprach. Im konkreten Fall soll Ulrich selbst „enthaltsam wie ein Mönch” ge-lebt haben, während er „freigiebig ge-genüber den Armen” gewesen sei. De facto hat Ulrich zwar häufig an die reich gedeckte bischöfliche Tafel geladen und soll dafür schon zu Lebzeiten be-rühmt gewesen sein. Doch seine Caritas- Gäste waren ausschließlich Mitglieder des Hochadels und des hohen Klerus, reiche Feudal-Herren wie er.
Minne, die zur Sache kommt, Französische Buchmalerei

Bei der so genannten Ulrichs-Minne geht es aber zuletzt doch weniger um den „fleischlichen” Teil, um das „Hineinbraten” (österr. für „Anbandln”) oder den Braten für die Schäfchen, als um den von Arm und Reich begehrten Wein – und das in einer Form, die in der römisch-katholischen Kirche eigentlich höchst suspekt sein müsste! Das nicht deshalb, weil der Wein trunken macht, was im Laufe der Geschichte das Kultpersonal vieler Religionen für seine „Inspiration” nutzte. Sondern mehr deshalb, als in der römisch-katholischen Liturgie der rituelle Genuss von Wein (als verwandeltes Blut des Gottes) allein den Klerikern vorbehalten ist. - Nur das „Brot” (als verwandeltes Fleisch) wurde und wird in Form von geweihten Hostien mit dem gewöhnlichen Volk geteilt.

Ulrich wird nun nachgesagt, er hätte im geweihten speziellen Kelch tatsächlich auch geweihten Wein herumgereicht, was eine Art „Kommunion in beiderlei Gestalt” darstellte, deretwegen u.a. der Protestantismus entstand, der gerade auch in Augsburg großen Zulauf fand. Und in Ulrichs Namen geschieht dieser ei-genartige „Minne-Brauch” an vielen „seiner” katholisierten ostalpinen Wallfahrts-orte heute noch! Ja der Brauch wird nicht nur an Ulrichs Festtagen geübt, sondern gerade auch zu Ostern – also im überwiegenden Fall justament im Monat der Aphrodite, im April (Aphrilis), der bei den Römern der Monat der Venus war. Ein Prosit dem Afra-Onkel Dionysius, der jenem Dionysos (Gottes-Sohn) geweihte, der sein phallisches Zepter mit so einem Fruchtbarkeit verheißenden Pinien-Zapfen krönte, wie ihn Augsburg noch heute im Wappen führt!

Ulrichs-Brot, Ulrichs-Bock, Ulrichs-Erde und andere Unterlagen  ^

 Sollen wir jetzt zu allem Überfluss noch das Ulrichs-Brot nachschieben – in der Original-Variante mit dreierlei Belag (Oboatzter, Leberwurst und Brat-wurst-Hack) und einen kräftigen Ul-richs-Bock dazu? Dann können wir si-cher stilgerecht selbst „den Heiligen Ulrich anrufen”, eine Umschreibung für die weniger stilvolle Art, sich nach geübter Völlerei, der vielleicht auch der echte Ulrich zuneigte, endlich zu er-brechen. Dabei sind wir noch gar nicht der Gans zu Leibe gerückt, einem der Mutter-Göttin heiligen Wasser-Vogel, und nicht der fruchtbaren, angeblich Mäuse und Ratten vertreibenden, Ul-richs-Erde. Ganz zu schweigen vom Unheil (= Krankheit) abwehrenden Ul-richs-Kreuz, das Partikel vom „echten Kreuz” enthalten soll.

Das „echte”, das Kreuz Jesu, hatte einst - neben den Resten der Drei-Könige und anderen wertvollen Trophäen - angeblich Helena gefunden, die Mutter des ersten „Christen-Kaisers” Konstantin, die in ihrer Jugend in England den Beruf einer Lupa (Wölfin im Sinn von Dirne - vgl. volva, altlat. für Vulva - keine Schande angesichts der kapitolinischen Amme von Romulus und Remus) ausgeübt haben soll. Und wissen Sie, wo die Lupa a.D. und Ehren-Kaiserin bei ihrem Senioren-Studium in Sachen Kreuz justament fündig wurde? Unter dem Tempel der Aphrodite(!) in Jerusalem!

Da waren – bei Noreia-Isis, Uinda, Lika, Ambeth, Borbeth und Wilbeth und wie die Kelten-Göttinnen alle hießen – schließlich wohl auch die Ex-Kelten der Ostalpen platt! Sonst hätten sie ja nicht zugelassen, dass sich mit der, über tausend Jahre nach Christi Geburt hierzulande langsam greifenden, neuen Religion, ein feudaler Ulrich auf viele ihrer altvertrauten Quell- und Mutter-Kultplätze setzte, und dort der alte Kessel der Inspiration, der Fülle, des ewigen Lebens und der Wiedergeburt zum Ulrichs-Kelch wurde.

Wären die mittelalterlichen Schäfchen des Lateins kundig gewesen, hätte der Ulrichs-Kelch, der in den Quellen als „poculum caritatis” bezeichnet wird, allerdings doch bekannt und vertraut gewirkt. Caritas, ursprünglich ein Wort für „hohen Preis”, wurde zwar im Spätlatein ein Begriff für asexuelle „Nächstenliebe”. Doch das lat. Hauptwort poculum stand nicht nur für das Gefäß, den Kelch, sondern auch für seinen Inhalt im Sinn von Zauber- oder Liebes-Trank - in seiner ursprünglichen sexuellen Bedeutung! Aber vielleicht haben die alten Wallfahrer bei alledem Ulrich halt einfach Ulrich sein lassen und bei seiner Minne in den Tiefen ihrer Seelen (und in den vier Wänden ihrer Häuser) der alten Mutter- und Frauen-Liebe, und in alten Weingegenden - als geübte Bacchus-Jünger - halt auch dem gebotenen süffigen Wein, gefrönt?! Prost, Ulrich!

qwelle diekelten.at

mfg.zenzi


Es sind 2 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

ulrich-afra_270.jpg
ulrichsbock_270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#57
21. November 2009, um 18:49:18 Uhr

Kurzsteckbrief: Hl. Valentin  ^
Namenvarianten:    Valtin, Vaeltin, Valtl, Felltes
Festtermin:   14. Februar
Namensdeutung:   Der Gesunde
Symbole:   Bischofsornat, Schwert, Hahn, Kind
Mythol. Funktion:    Patron der Liebespaare und der Epileptiker, Frühlingskünder


mfg.zenzi

qwelle diekelten.at


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

valentin-washington_270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#58
21. November 2009, um 18:51:42 Uhr

Die Vierzehn Nothelfer
Keltische Beschützer in kathol. Mänteln – 8. Juli & rund ums Jahr

14 Nothelfer vor Maria mit Kind
Got. Tafelbild eines steier. Meisters
Landesmuseum Joanneum Graz   

Die unter dem Begriff der Vierzehn Nothelfer zusammengefassten katholischen Heiligen, drei Frauen und elf Männer, traten in den Ostalpen als Einzelhelfer zum Teil bereits seit dem 9. Jahrhundert auf. Im Paket - also quasi als geballte Sondereinheit - gibt es sie hierzulande, im engeren Ostalpenbereich und in Süd-deutschland, erst seit dem 14. Jahrhundert! Zur „Eingreiftruppe” zählen offiziell:

Name Festtag Patronat/Mythol.Funktion Analogien zu ...  ^
Achatius 22.Jun. Sterbebegleiter Christoph., Dagda, Hermes, Michael
Ägydius 1.Sep. Fruchtbark.- & Viehpatron Cernunnos, Faunus, Georg, Vitus
Barbara 4.Dez. Sterbebegleit., Bergpatron Anna, Borbeth, Columba, Hekate 
Blasius 3.Feb. Licht-, Arzt- & Viehpatron Dionysius, Erasmus, Georg 
Christophorus 24.7.+1.8. Seelenbegleit., Bergpatr. Anubis, Cernunnos, Dagda, Hermes
Cyriakus 8.8.(7.7.) Sterbebegl., Teufelsaustr. Achat., Bartholom., Nikolaus, Vitus
Dionysius 9.Okt. Licht- & Fruchtbark.patron Bacchus, Blasius, Dionysos, Georg
Erasmus 2.Jun. (Wieder-) Geburtspatron Georg, Nikolaus, Vitus 
Eustachius 20.Sep. Fruchtbark.- & Viehpatron Ägydius, Cernunnos, Dagda, Georg
Georg 23./24.4. Fruchtbark.- & Viehpatron Apollon, Belenus, Cernunnos, Dagda
Katharina 25.Nov. Schicksal- & Weisheitspatr.  Athene, Kore, Minerva, Wilbeth
Margaretha 20.Jul. (Wieder-) Geburtspatronin Ambeth, Aphrodite, Isis, Venus
Pantaleon 27./28.7. Blinden- & Hebammenpatr. Apollon, Erasmus, Erhard 
Vitus 15.Jun. Sterbebegl., Teufelsaustr. Bartholomäus, Cyriakus, Erasmus


qwelle diekelten.at

mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

vierzehnNH-graz_270.jpg
Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#59
21. November 2009, um 18:53:33 Uhr

Vitus
Vitaler Licht-, Fruchtbarkeits- & Heilerpatron – 15. Juni

Vitus im Kessel
(mit Modestus & Crescentia)
Relief von der Innenseite des
spätgot. Flügelaltars (c. 1480) der
Pfarrkirche St. Vitus, Salzburg-Morzg   

Nach seiner frommen Legende soll Vitus ein gebürtiger Sizilianer sein, geboren in Mazzarrà in der heutigen Provinz Messina, oder in Mazzarino in der Provinz Caltanissetta, oder noch besser in Mazara del Vallo in der Provinz Trapani. An der dritten Adresse soll Vitus auch nach Märtyrerart hingerichtet worden sein, womit sich dort der Kreis schlösse. Die Verwirrung um den Geburtsort teilt der Nothelfer der Sterbenden natürlich mit vielen unhistorischen Heiligen. Solche Orte haben aber eine symbolische Funktion, und bei Vitus, dem Landespatron von Sizilien, Sachsen und Böhmen, scheint es inbesondere um Wachstum und Licht zu gehen. Sonnenlicht gibt es jedenfalls genug in den drei genannten Orten - und im dritten auch noch massenhaft mythologisches Dekor.

Doch bevor wir den San-Vito-Code entschlüsseln, erzählen wir zuerst die fromme Legende des Veit, die uns ohnehin Stück für Stück des Rätsels Lösung liefert! Vitus soll also, nehmen wir an in Mazara del Vallo, als Sohn eines römischen Senators geboren worden sein. Um die Erziehung des Jünglings kümmerte sich ein gewisser Modestus, unterstützt von Vitus Amme Crescentia (Kreszentia). Was der viel beschäftigte Papa Senator jedoch nicht mitbekommt: Seine iloyalen Angestellten nutzen die Gelegenheit, den Senatorensohn vom Staatskult zu entfremden und aus ihm einen „Christen” zu machen.

Aber einmal dämmert es selbst dem gestresstesten staatstreuen Politmanager, was sein pubertierender Sohn so treibt! Oh Schreck lass nach! Der entsetzte Vater greift zuerst auf die altbewährten Erziehungsmittel des Patriarchats zurück und schlägt den pubertierenden Junior. Doch damit erreicht er natürlich nur Trotz und Widerstand. Nun schleppt der zürnende Senator seinen Filius vors zuständige Gericht. Und auch der Richter läßt Vitus schlagen. Doch statt den Jungen zur (Staats-) Räson zu bringen, verdorren den Schlägern die gegen den angehenden Märtyrer erhobenen Arme. Das ist nun umgekehrt die Stunde des Veit: Er betet großzügig für die Gelähmten. Und im Handumdrehen sind sie alle wieder geheilt.

Vater ändert nun die Taktik zur Bekehrung seines Sprösslings. Er schließt Vitus mit einer Schar schöner Tänzerinnen ein, auf dass sie ihn bei Musik und Tanz verführen! Doch dem besonnenen Jungen ist nicht nach Orgie, und als der listige Papa durchs Schlüsselloch späht, sieht er seinen missratenen Sohn von sieben Engeln umgeben und wird blind. Er bleibt es selbst dann noch, als er feierlich gelobt hat, einen Stier mit goldenen Hörnern im Jupiter-Tempel zu opfern. Erst ein neuerliches Gebet seines Christen-Sohnes gibt ihm das Augenlicht zurück.

Der Senator will nun zum letzten Mittel greifen und beschließt, sein Problem mittels Mord zu lösen. Doch einer der im antiken Sizilien offenbar in Schwärmen auftretenden Engel mischt sich prompt ein und warnt Jung Vitus, der auf den himmlischen Tipp hinauf mit Modestus und Crescentia per Schiff nach Lukanien (die heutige italienische Region Basilikata) entflieht. Dort im Exil, an einem Ort (locus) namens Alectoris (Steinhuhn), werden die drei von einem Adler ernährt, der ihnen täglich frisches Brot bringt. Umgekehrt tut sich der fromme Vitus in der Gegend so lange als Wunderheiler hervor, bis die Kunde davon bis zu Kaiser Diokletian nach Rom dringt, der zu seinem Leidwesen einen besessenen Sohn sein Eigen nennt.

Vom Wunderheiler zum zähen Märtyrer  ^

Großzügig wie immer heilt der herbeigerufene Vitus natürlich auch den Sohn des Kaisers von dessen Krankheit, doch die eigene Neigung zur christlichen Er-lösungsreligion will er sich danach auch von Diokletian nicht nehmen lassen. Was dazu führt, dass er, statt weiter das Brot seines lukanischen Adlers genießen zu können, mit Lehrer und Amme auf römische Gefängniskost und Marter-Programm gesetzt wird. Wie der Käse zwischen zwei Scheiben Toastbrot, sollen die drei Christen nun zwischen schweren Eisenplatten erdrückt werden. Doch der Schutzengel bringt Licht in den Kerker und die Platten bleiben auch physikalisch wirkungslos.

   Nach dem misslungenen Platten-Toast-Versuch sollen die zähen Sizilianer endlich frittiert werden. Wozu man das Trio in einen Kessel mit siedendem Öl steckt. Statt aber knusprig braun ihr Leben zu beschließen, entsteigen die gefeiten Märtyrer dem Topf als wäre nichts geschehen! Da wird es Zeit für die obligate Arena, wo aber der sonst hungrige Löwe zum Missfallen des Publikums dankend auf Frit-tier-Fast-Food verzichtet, sich den drei Heiligen wie ein Lämmchen zu Füßen legt und sie für eine kleine Geschmacksprobe lediglich abschleckt.

Abb. links: Modestus, Vitus und Crescentia im heißen Kessel
 

Da die grausame Fantasie katholischer Legendenschreiber entsprechend der sie umgebenden Realität allerdings schier unerschöpflich war, geht die Gruselgeschichte natürlich noch munter weiter: Modestus und Vitus landen auf der Folterbank und sollen mit Haken zerfleischt werden. Doch prompt schlägt ein himmlischer Blitz in Folterbank und Marterwerkzeug. Ja ein ganzes Erdbeben hebt an, läßt die Tempel einstürzen und neben den Folterknechten mit den herabfallenden Trümmern auch das entsetzt fliehende Volk, Männer, Frauen, Kinder erschlagen!

Weil sie sich nach diesem publikumswirksamen Auftritt samt „christlichem” Massen-mord einen Platz in der Schar der himmlischen Heiligen verdient haben, werden Vitus, Modestus und Crescentia von einem Schwarm Rettungsengel losge-bunden und an ein Flussufer gebettet, wo sie sanft entschlafen und ihre Seelen gen Himmel flattern. Ein weniger flatterhafte Adler bewacht in der Zwischenzeit die sterblichen Reste der neuen Heiligen, bis die übliche „fromme” Witwe, hier Florentia genannt, sie en passant findet und bestattet. (Vom Massengrab der Erdbebenopfer wird in der Legende nichts weiter berichtet - Den Haag gabs ja auch noch nicht!)

Ein Jahrtausend später ist Veits Totenruhe allerdings beendet. Seine angeblichen Gebeine, die 583 in Lukanien gefunden worden sein sollen, werden im Jahr 775 in die Kathedrale von St. Denis, die Krönungs- und Grabesstätte der fränkischen Könige und angebliche Grabstätte des Dionysius nahe Paris, verfrachtet. Hundert Jahre später gehts zur Unterstützung der blutigen „Sachsen-Mission” im Dienste des großen Kriegsverbrechers Karl ostwärts in die Abtei und christliche Glaubensbastion Corvey (Höxter) an der Weser. Im 10. Jh. gelangt ein Arm und im 14. Jh. schließlich Vitus Kopf nach Prag, wo die Reste des Nothelfers - über einem ehemals bedeutenden keltischen Kult-Zentrum - die Glaubensbasis für den Veits-Dom bilden. - Für einen Brauer-Patron kein schlechter Platz!

Das Geheimnis des San-Vito-Codes  ^

Nun aber zur Decodierung des San Vito und seiner Geschichte, die wir - außerhalb keltischen Territoriums, aber innerhalb auffälliger mythologischer Parallelen - in Sizilien beginnen. Die Stadt Mazara del Vallo, dessen Patron San Vito bis heute ist, wurde in der Mitte des 7. vorchristlichen Jahrhunderts als Hafen der grie-chischen Kolonie Selinus (heute Selinunte) ausgebaut. Selinus selbst war in der Antike ein bedeutender Mittelpunkt für die Verehrung der dreifaltigen Erd-, Mutter- und Frauengöttin Demeter Malophoros (= die [Granat-] Apfel-Tragende - zur Symbolik vgl. Apfel), die fruchtbare Korn- und Obstmutter des ältesten mediterranen Mysterienkultes - und für ihre Schwester Hera.


Tempel in Selinus (Selinunte, Prov. Trapani), Bild: © artchive.com

Da war unser Vitus goldrichtig. Das (vom Prinzip her „offene”) Geheimnis des Demeter-Kultes ist der Kreislauf des Ewigen Lebens und der nährenden Vegetation in der unendlich wiederholten Reihenfolge Geburt-Tod-Wieder-Geburt. In Mazara del Vallo bzw. oben in Selinus, der Stadt mit den rund 20 frauendominierten Tempeln, wurde das Jahr für Jahr in einer rituellen Initiation mit sieben Stufen vorgeführt. Im Mittelpunkt des Mythos stand der Schoß von Mutter Erde (=De-meter), der das Abgestorbene birgt, die Seelen heilt und sie zu neuer Blüte, zu neuem irdischen Leben entlässt.

Die Geschichte des Vitus ist voll von Anspielungen darauf. Er ist ein vortreff-liches Bindeglied zwischen den matriarchalen Mythen des Mittelmeerraums und den religiösen Vorstellungen der Kelten von Irland über Böhmen bis Kleinasien. Er ist offensichtlich der Botschafter und Initiand (Eingeweihte) des matriarchalen Mythos vom ewigen fruchtbaren Leben, der im Mittelmeerraum ähnlich ausgeprägt war wie in den Alpen - und es schließlich erleichterte, den Sizilianer zu einem der beliebtesten ostalpinen „Nothelfer” zu machen, während seine legendäre Amme und Begleiterin Kreszentia (Zenzi) Namenspatronin zig-tausender Mädchen des bäuerlichen Alpenraums wurde.

Blicken wir gleich der ersten Tatsache ins göttliche Auge: Crescentia, die Wach-sende, die schon dem Säugling Vitus ihre prallen, Nahrung und Leben spendenden, Brüste darbot und ihm bis zum Tod nicht von der Seite weicht, ist Ceres, Göttin der Nahrungspflanzen, der Ehe, des Todes und der Wiedergeburt, die plebeische römische Version der griechischen Demeter, an deren sizilianischem Haupt-Kultplatz die Legende unseren vitalen Vitus geboren werden lässt.

Der blasse Modestus ist lediglich die Personifikation von (lat.) modestus: be-sonnen, maßvoll. Während die ausgelassenen Tänzerinnen ganz klar zum Demeter-Mythos gehören, dem wir den vom Christentum desavouierten Begriff Orgie verdanken, der ursprünglich eine heilige Handlung bezeichnete: Was im Demeter-Hymnus als orgia benannt wird, hängt unmittelbar mit ergon, dt. Werk, zusammen und es geht um heiliges Tun! Zu diesem Tun gehörten insbesondere die sieben Initiations-Stufen der „Großen Mysterien”, zu deren Höhepunkt insbesondere der - erotisch „aufgeladene” - rituelle Tanz zählte.

Zur Zeit der Verbreitung des Vitus in den Ostalpen (14./15. Jh.) waren solche Tänze auch Bestandteile der ausgelassenen Feiern zur „Sonnenwende”, die wegen der Ungenauigkeit des Julianischen Kalenders schon Mitte Juni stattfanden. Daher auch der Reim beim Feuerholzsammeln: „Der heilige Veitl tat bittn um a Scheitl!” (Vitus bittet um ein Holz-Scheit - für das rituelle Feuer!)

   Der „alectoris locus” in Lukanien, lässt eigentlich keinen (römischen) Adler zu. Wörtlich steckt das bis in die Alpen verbreitete Steinhuhn (Alectoris graeca) dahinter, das interessanterweise im Frühjahr gleich zwei Nester belegt, von denen eins die Henne, das andere der Hahn bebrütet - bis Mitte Juni die Küken schlüpfen. Der Geburtstermin weist auf den Fest-Termin des Vitus (15. Juni) hin, die Anspielung auf Geflügel auf seine Rolle als Geflügel-Patron. Und vermutlich wurden nicht nur der griechischen De-meter Steinhühner geopfert, sondern anläßlich der (bis ins 20. Jh. weit verbreiteten) Hühneropfer auch den keltischen Bethen der Ostalpen.

Abb. li: Steinhuhnpaar aus einem Lehrbuch des 19. Jh.
 

Das wunderbar eingeflogene Brot für Vitus und Co. kommt natürlich von der Korn- und Brot-Göttin Demeter oder Ceres selbst, mythologische Schwestern der ostalpinen Notburga, der Corona und der Kümmernis. Der Veitstanz wiederum ist die christliche Herabwürdigung der rituellen Fruchtbarkeitstänze, eine Art katho-lischer „Gottesstrafe” dafür! Was den Kessel betrifft, ist die Sache klar: Es ist der Kessel der Fülle und des ewigen Lebens, die Vulva und der Bauch der Urmutter, die griechische Unter-, die keltische Anderswelt, die kein Gefängnis ist, sondern der reiche und wohltuende Ort der Ruhe und Heilung bis zur (irdischen) Wiedergeburt. An dieser Stelle ist Vitus eine mythologische Alternative für den keltischen Cer-nunnos - und es wundert uns nicht mehr, warum der angebliche Sizilianer in den Glauben der Ostälpler und der Boier-Nachfahren in Tschechien integriert werden konnte.

qwelle diekelten.at

mfg.zenzi


Es sind 1 Anhänge in diesem Beitrag die Sie als Gast nicht sehen können.

Bitte registrieren Sie sich um sie ansehen zu können.

vitus-kessel_270.jpg
Seiten:  Prev 1 2 3 4 5
Haftungsausschluss / Nutzungsbedingungen Datenschutzerklärung Impressum Kontakt Mobile Version
Powered by SMFPacks WYSIWYG Editor